DEES DUADS NO! SCHWABENMYTHEN AUF DEM PRÜFSTAND

Geizig, humorlos, schlitzohrig, sauber, überaus direkt und obendrein noch schnäkig. Über uns Schwaben sagt sich vieles leicht, nur wenige Völkchen müssen so viele Klischees über sich ergehen lassen.

Die Kehrwoche, in Stuttgart wie im gesamten Schwabenland feste Tradition, ist weit über die Ländle-Grenzen hinaus bekannt und an manchen Orten müssen Schwaben sich geradezu auf einen Schwabenhass einstellen – so zum Beispiel in Berlin, wo dieser immer wieder begrenzt lustige Blüten treibt. Aber was ist denn eigentlich dran, am so oft zitierten Geiz und der beharrlichen Durchsetzung der Kehrwoche, damits auch schee sauber bleibt?

Die unangefochtene Nummer Eins in der Grüchdegüchee: Der Schwabe ist äußerst geizig

…das sagt auch die Mär von der Erfindung des Kupferdrahtes durch einen Schwaben, der seinen Pfennig so lange in der Hand hin und her gedreht hat, bis er lang und dünn wie ein Draht wurde. Da hat einer also lange überlegt, ob er seine Ausgabe tätigen soll. Nun bleibt die Frage, ist das was Schlechtes daran? Tja – wer nichts ausgibt, ist eben sparsam, muss die Schlussfolgerung in diesem Fall lauten. Das ist die positive Seite der Medaille und klingt gleich viel schöner als „geizig“.

Aber mal zum Wahrheitsgehalt der Sache: Ganz sicher kennen auch Stuttgarter Studis das Problem, das am Ende des Geldes noch ganz schön viel Monat übrig ist. Stuttgart ist schließlich ein teures Pflaster, schaut man sich mal die Mieten innerhalb der Stadt und an deren Ränder an. Dennoch besagt eine Umfrage, dass in Stuttgart Deutschlands Spitzensparer sitzen: 7 Euro mehr als die Münchner und ganze 22 Euro mehr als die Frankfurter legen die Stuttgarter jeden Monat zurück. Mit insgesamt 219 Euro sind das fast 50 Euro mehr, als ein Berliner zurücklegt.

Mit dem Hintergrundwissen, dass die Stuttgarter Mietpreise in der Regel höher liegen als die in Berlin, muss man tatsächlich zum Ursprung der Sache zurückkehren und sagen: Ja, wir Stuttgarter sind sparsamer – vor allem angesichts der eigentlich hohen Ausgaben in der Stadt. Aber woran wiederum liegt das denn eigentlich?

Hier müssen wir zu unserem Titel zurückkehren und festhalten: Der Stuttgarter sagt gerne mal „Dees duads no“ und verlegt somit eigentlich anstehende Ausgaben auf einen unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Denn der Schwabe ist mit dem was er hat zufrieden. Zur Schau stellen muss er sich nicht. Porsche fahren? Klar, aber nicht mit lauter Mukke und Poser-Sonnenbrille durch die Stadt. Er freut sich an dem was er hat, muss sich nichts für andere gönnen, sondern macht es halt für sich – ist doch auch schön, oder? Kehren wir es also um in „Genügsamkeit“.

Dazu kommt noch eine gewisse Bodenständigkeit. Wir Schwaben investieren gerne in das Eigenheim: Schaffe, schaffe Häuslebaue! heißt es so schön und bringt diese Mentalität auf den Punkt. Damit wird ein gewisser Fleiß verbunden und eine tiefe Motivation des Arbeitswillens ausgedrückt, die eben darin begründet liegt, sich ein schönes Heim zu schaffen. Die hohen Gehälter kommen dieser Motivation sehr entgegen. In Stuttgart werden die dritthöchsten Gehälter Deutschlands gezahlt. Der entsprechend hohe Gegenwert einer Immobilie in Stuttgart sorgt zusätzlich dafür, dass zum Eigenheim-Erwerb gerne Kredite gewährt werden, denn Leihsummen werden sowohl am Wert des gewünschten Objekts als auch daran gemessen, was der Antragsteller sich leisten kann. Die hohen Gehälter und der Wert des Standort Stuttgarts, der über die nächsten Jahrzehnte sicherlich stabil bleiben – oder vielleicht auch steigen – wird, machen es dem Schwaben leicht, an sein Häusle zu kommen.

Und noch eine weitere nachgesagte Eigenschaft schlägt in diese Kerbe: Die Schlitzohrigkeit, die wir Schwaben in die Wiege gelegt bekommen. Denn wer ein gutes Geschäft wittert, der schließt es ab – und achtet dabei darauf, dass sein Vorteil ja nicht zu gering ausfällt: Des isch auch ganz richtig so!  Wer macht nicht gerne ein cleveres Geschäft?

Zeigt: Was so oft als Geiz ausgelegt wird ist in erster Linie extrem clevere (mit Schlitzohrigkeit gepaarte!) Sparsamkeit, die uns Schwaben am Ende nicht nur einen Vorteil einbringt. Und da lassen wir die Erfindung des Kupferdrahtes einfach mal ganz außen vor…

Mir gangad zum Lache in de Keller? Nix da!

Schwäbische Humorlosigkeit ist ebenfalls eine vielzitierte Eigenart. Hier hält der Schwäbische Kolumnist Wulf Wager vehement dagegen: „Der Humor erschließt sich Nicht-Schwaben nur nicht immer gleich. Mit der angeborenen Fähigkeit zur Selbstironie machen Schwaben ihre Witze – im Gegensatz etwa zu Badenern, Ostfriesen oder Ossis – bloß über sich selbst.“ Die Witze gehen stattdessen in erster Linie auf unsere eigenen Kosten. So zum Beispiel vom tagelang vermissten schwäbischen Ehepaar, das in einer Gletscherspalte geortet wird: „Hallo, hier ist das Rote Kreuz!“, rufen die Retter runter. Schallt es aus der Tiefe zurück:

„Mir gebbet nix!“

Die Schwaben wissen also durchaus um ihre Eigenheiten – und machen sich selbst drüber lustig, statt das anderen zu überlassen. Richtig so! Und zeigt: Die Schwaben geizen nicht mit dem Humor – sie spenden so großzügig Gründe dafür.

Des blitzt und blinkt, isch des schee! Die Kehrwoche

Die schwäbische Kehrwoche hat es bis nach Berlin geschafft, wie der eingangs erwähnte Artikel eindrucksvoll erläutert. Und auch sonst wird sie in zahlreichen Kurzgeschichten, komödiantischen Aufarbeitungen oder gar Serien aufgegriffen. Ja, wir Schwaben sind reinlich. Und davon profitieren nicht nur die Reinlichkeitsliebenden selbst, sondern auch die Zugezogenen, die gerne feststellen werden, wie sauber Schduddgaard doch ist.

Die 1492 in der Stadtordnung festgelegte Kehrwoche ist auch heute noch gute Tradition, auch wenn sie natürlich nicht mehr gesetzlich festgeschrieben steht. In Mietshäusern ist also jeder mal mit der Sauberhaltung dran, was sowohl zur eigenen Sauberkeit erzieht als auch Einsatzwille und Fleiß zeigt. Ob dabei wirklich alles geschrubbt werden muss bis es blitzt und blinkt, ist Ansichtssache – so mancher Schwabe stellt da schon mal fest:

„Der Sinn der Kehrwoche scheint weniger der kollektive öffentliche Sauberkeitswahn zu sein, sondern vielmehr im Gesehen werden mit Bäsa, Kuddrschauffl, Kehrwisch, Schrubbr ond Oimr zu bestehen. Nicht das Ergebnis zählt, sondern der Beweis: ein überfluteter Kellergang ist wichtiger als eine saubere Kellertreppe.“

Das treibt teilweise ungesunde Auswüchse, das mag durchaus sein. Denn Mülltonnen schrubben ist dann doch weit hergeholt und kein zwangsläufiger Ausdruck allgemeiner Ordnungsliebe des Hauses.

Sei es drum. Die Kehrwoche zeigt trotzdem: Die Schwaben mögen es sauber. Und um das beizubehalten gibt’s auch die Kehrwoche halt noch. Da muss auch jeder Zugezogene durch, der vielleicht nach einem Jahr wieder abhaut und erleichtert ist, nicht mehr das ganze Haus von morgens bis abends zu putzen – und sich dann kurze Zeit später über die Blätter und Fußspuren im Haus aufregen wird…

Herrgottsbscheißerla in Briah: Schnäkige Schwaben?

Dass die Schwaben wählerisch beim Essen sind, weil sie in erster Linie Spatzafresser sind, ist Humbug. Großartige Gerichte der schwäbischen Hausmannskost wie Maultaschen, Gaisburger Marsch, Buabaspitzla und Nonnafürzla will wohl niemand in Stuggi missen. Und dass wir unsere simplen Klassiker die mit der einen oder anderen lustigen Anekdote aufwarten können – wie die der Herrgottsbscheißerle nämlich – einfach lieben, heißt ja nicht, dass wir andere Sachen hier nicht zu schätzen wissen. Stuttgart ist multikulti und das lässt sich ganz besonders gut an der Gastronomie erkennen, die eben alles andere als nur schwäbisch ist. Das funktioniert und zeigt: Hier ist niemand schnäkig. Wir wissen nur was gut ist – und probieren auch alles andere, was sicherlich auch einiges kann.

Also, am Ende bleibt doch zu sehen, dass Stuttgart alles andere als „ein einziges Klischee“ ist. Stuttgart rockt! Und das mit cleverer Sparsamkeit, richtig schön positiv zu sehender Schlitzohrigkeit, jeder Menge Humor, einer wunderbar sauberen Stadt und leckerem Essen. Ob das jetzt Maultaschen oder auch andere grandiose Erzeugnisse sind, ist uns dabei herzlich egal. Hauptsache das gute Grundnahrungsmittel gibt’s allerweil und das hat auch einen guten Grund:

„Der Maultasche werden wahre Wunderwirkungen nachgesagt: beispielsweise heißt es, sie kitte Ehen, bzw. ließe gar nicht erst zu, dass diese überhaupt zu kriseln beginnen – vorausgesetzt, die schwäbische Hausfrau beherrscht die Kunst des Nudelteig Knetens, Rollens, Füllens, Kochens einwandfrei. Dann ist ihr die Bewunderung und Zuneigung des Gatten für alle Zeit gesichert.“

Welcher schlitzohrige, kulinarisch verwöhnte, sparsame und humorvolle Schwabe würde diese Speise also ablehnen? Sie treffen doch alle Grundsätze des Schwäbisch-seins:

  • Scheidungen sind teuer, da bleiba mer lieber verheiraded!
  • die Herrgottsbescheißerle dürfen ganz heimlich auch in der Fastenzeit genossen werden – und damit kann der Schwabe dem Herrn persönlich ein Schnippchen schlagen
  • es wird garantiert „nix verkomme gelassa“, da die Maultaschen grandios lecker sind
  • sauber geputzte Teller sind Ausdruck höchster Reinlichkeit
  • und da die Teigtaschen so gut zu alle den schwäbischen Eigenschaften passen, kann der Schwabe sich dabei auch noch im wahrsten Sinne des Worts köstlich über sich selbst amüsieren.

“Was will man mehr?”