FRANZ BÖHM

EIN SCHWÄBISCHER FILMEMACHER EROBERT DIE WELT

Franz Böhm ist gerade einmal 22 Jahre alt und bereits einer der aufstrebendsten Filmemacher der Republik. Mit seinen Werken erreicht er sein Publikum über die Landesgrenzen hinaus.

Mit 16 Jahren drehte er seinen ersten Kurzfilm Harmonie der Anderen. Mit seinem ersten Langfilm DEAR FUTURE CHILDREN ist der in Gerlingen geborene Regisseur gerade in aller Munde. Als jüngster Filmemacher, der diesen Preis je erhalten hat, wurde Franz mit dem Publikumspreis des kanadischen Dokumentarfilmfestivals Hot Docs ausgezeichnet. Dadurch hat sich sein Film sogar für die Shortlist der Academy Awards qualifiziert.

In seinen Filmen beschäftigt sich Franz thematisch hauptsächlich mit jungem Widerstand, modernem Aktivismus und marginalisierten Gruppen. Bei seiner Arbeit als Filmregisseur fokussiert er sich auf die Geschichten außergewöhnlicher Menschen. Dafür taucht der Filmemacher tief in das Leben seiner Protagonisten ein. Für seinen Film Christmas Wishes hat er zum Beispiel mit jugendlichen Obdachlosen zusammen auf der Straße geschlafen. Mit seinen Filmen will Franz soziale Probleme auf zugängliche Weise sichtbar machen.

Im Februar wurde ihm eine ganz besondere Ehre zuteil. Er war Mitglied der Jury für den Amnesty-International-Filmpreis auf der Berlinale 2022. Wir haben mit dem jungen Filmemacher über seine Arbeit als Aktivist und Regisseur unterhalten.

Franz, du hast dich mit gerade einmal 22 Jahren als deutscher Filmproduzent und Regisseur etabliert. Wie bist du dazu gekommen?

Ich bin durch viele Umstände und Zufälle schon sehr früh mit dem Medium Film in Berührung gekommen. Für mich hat sich das Filmeschauen und etwas später dann das Filmemachen zu einem persönlichen Fluchtort entwickelt. Als ich mit 14 als Set-Runner an ersten Filmsets stand, wusste ich einfach, dass ich hier meine Zukunft sehe und habe seitdem versucht, so viel Erfahrung wie möglich in verschiedenen Departments zu sammeln. Ich hatte das Glück, dass ich schon früh von vielen tollen Filmschaffenden umgeben war, die eine beeindruckende Motivation hatten und wichtige Geschichten erzählen wollten. Gemeinsam mit tollen Teams habe ich dann immer wieder Kurzfilme gedreht. Wir haben Fehler gemacht, viel dazugelernt, Neues ausprobiert, Kontakte geknüpft. Vor etwa zwei Jahren fing dann die Arbeit zum Dokumentarspielfilm Dear Future Children an.

Hattest du in der Film- und Medienbranche mit Vorurteilen aufgrund deines jungen Alters zu kämpfen?

Natürlich gab es immer wieder Momente, in denen meine Erfahrung oder meine Arbeit aufgrund meines Alters infrage gestellt wurden. Normalerweise kann man solchen Vorurteilen aber mit guter Arbeit entgegenwirken. Es gab aber auch Momente, in denen ich mit anderen, sehr jungen Filmschaffenden gesprochen habe und wir tolle Diskussionen darüber hatten, was wir zukünftig in der Branche ändern möchten.

Der Fokus deiner Filme liegt auf sozialen und aktivistischen Themen. Woher nimmst du den Mut, hinzuschauen, wo andere die Augen verschließen?

Für mich ist es eine Kernverantwortung der nächsten Generation von Filmschaffenden, dass wir versuchen müssen, Geschichten zu erzählen, welche gesellschaftlich von hoher Relevanz sind.

Ob Christmas WishesGood Luck oder Dear Future Children – deine Filme wurden mehrfach prämiert und ausgezeichnet. Wie fühlt es sich an, wenn deine Message gesehen, gehört und letztlich anerkannt wird?

Unser Team arbeitet teilweise jahrelang an diesen Projekten und es ist ein wunderbares Gefühl, den Film nach dieser Zeit auf der Leinwand zu sehen und mit den Zuschauer*innen ins Gespräch zu kommen. Bei mir persönlich bleibt dieses Gefühl übrigens immer unverändert, egal ob es eine große Vorstellung für Parlamentarier in London oder ein kleines Kino auf dem Land ist: Ich bin jedes Mal aufgeregt wie ein kleines Kind.

Gleichzeitig muss man als Aktivist*in im digitalen Zeitalter lernen, mit Hassbotschaften und Morddrohungen umzugehen. Wie gelingt dir das?

Drohungen dieser Art zu erhalten, ist natürlich immer erstmal schrecklich. Als Team sind wir aber einstimmig der Meinung, dass wir uns hiervon nicht allzu sehr beeindrucken lassen sollten und uns lieber überlegen sollten, wie wir uns bestmöglich schützen können. Schon recht früh haben wir eine tolle Zusammenarbeit mit der Harvard Universität gestartet. Gemeinsam konnten wir eine Infrastruktur aufbauen, die uns dabei geholfen hat, diese Drohungen zurückzuverfolgen und unsere Server und Kommunikationswege abzusichern.

Wie ist die Idee zu Dear Future Children entstanden?

Als junges Team haben wir eine unglaubliche Faszination für junge Protestbewegungen weltweit entwickelt und wollten unbedingt mehr darüber lernen. Bei der Recherche zum Thema „junger, globaler Aktivismus“ ist uns aufgefallen, dass häufig nur über junge Aktivist*innen gesprochen wird und nicht wirklich mit ihnen. Das wollten wir mit diesem Film ändern.

Und wie lange dauert es, bis aus einer anfänglichen Idee ein Kinofilm wird?

Das variiert natürlich sehr stark. Wir haben schnell ein tolles, fleißiges Team zusammenstellen können. Etwa 15 Monate nach der ersten Idee konnten wir den komplett fertigen Film auf der Leinwand sehen. Das ist im Vergleich relativ sportlich.

Bei deinen Dreharbeiten begibst du dich mitunter in sehr riskante Situationen: In Berlin wurdest du bedroht und verletzt, in Chile attackiert und beschossen. Macht dir das keine Angst?

Uns allen waren die Risiken der Dreharbeiten in Krisengebieten (Chile, Hongkong) absolut bewusst. Wir haben uns klar dafür entschieden und uns dementsprechend umfassend vorbereitet. Die Arbeit mit Leuten vor Ort hat hier eine entscheidende Rolle gespielt. Vor Ort ist die Arbeit von hoher Konzentration und ständiger Kommunikation mit anderen Teams geprägt. Gerade wenn geschossen wird, zuckt man natürlich schon kurz zusammen, aber das sind eben Situationen, auf die wir uns vorbereitet haben. Uns war klar, dass wir unsere Protagonist*innen bei allen Aspekten ihrer Arbeit begleiten wollen.

Dear Future Children wurde zum Teil durch Crowdfunding finanziert. Welche Vorteile hat das Crowdfunding gegenüber der klassischen Filmfinanzierung?

Das Crowdfunding entwickelt sich zu einer spannenden Finanzierungsalternative. Es funktioniert vergleichsweise schnell und ist wie eine kleine „Marktanalyse“, bei der man beobachten kann, ob es für eine Projektidee potenziell interessierte Leute gibt. Außerdem kann man das auch nutzen, um eine Art Community um das Projekt aufzubauen, was dann auch bei der späteren Auswertung von entscheidendem Vorteil sein kann.

Du bist in Gerlingen aufgewachsen, lebst inzwischen in London und Stuttgart. Was fehlt dir in London, das Stuttgart hat und umgekehrt?

Natürlich fehlt mir in London am meisten meine Familie und das gemeinsame Maultaschenessen mit meinen Großeltern. Ganz besonders schön und gemütlich finde ich in London die Pub-Kultur. Ich versuche aber alle zwei Monate hier in meiner Heimat zu sein.

Worauf freust du dich im Jahr 2022? Welche Projekte sind geplant?

Ich freue mich auf mein Master-Studium an der National Film And Television School in London.

Mit Produzent Johannes Schubert und den Autoren Suli Kurben und Samuel Gheist bin ich derzeit in der Entwicklung eines nächsten Spielfilmprojekts, auf das wir natürlich sehr gespannt sind.

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