Kekahi lâ i palekaiko wale nô.
Das ist hawaiianisch und bedeutet „ein neuer Tag im Paradies“. Und das ist die Inselkette Hawaii wirklich – ein Paradies auf Erden.
Ein Reisebericht von Sandro Stegmaier aus Stuttgart/Aalen
Die majestätischen Berge mit dichtem Regenwald überzogen und das türkisblaue Wasser, das meterhohe Wellen an weiße Sandstrände wirft. Hier findet der Abenteurer zahlreiche Naturwunder. Atemberaubende Wasserfälle, aktive Vulkane und farbenfrohe Korallenriffe warten nur darauf, entdeckt zu werden. Zwei Probleme gibt es dabei allerdings: zu wenig Zeit und viel zu viel zu erleben.
Angefangen hat mein Abenteuer in Honolulu, der Hauptstadt des 50. US-Bundesstaates. Hier herrscht zwar buntes Großstadttreiben und reger Tourismus, von Hektik ist allerdings nichts zu spüren. Die „Hang-Loose“-Mentalität ist scheinbar ein richtiger Stress-Killer. Der einzige Nachteil dieser Entspanntheit wird deutlich, wenn man auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist. Züge gibt es nicht. Busse gibt es wirklich nur hier auf Oahu, wo zwei Drittel der Bevölkerung leben. Pünktlich sind diese Busse allerdings nicht, 10-20 Minuten Verspätung sind komplett normal. Doof also, wenn man dann seinen Anschlussbus verpasst und der nächste erst wieder in einer Stunde kommt. Während ich mich schon resigniert in den Schatten setze, in dem es übrigens knapp unter 40 Grad hat, hält Anna-Lena, meine verrückte Reisebegleitung, ihren Daumen hoch. Per Anhalter heißt hier „Hitch-Hiking“ und einen Versuch ist es wert, meint sie.
Ich schüttle nur genervt den Kopf und bin umso überraschter, als keine 5 Minuten später ein kleiner, weißer Van anhält. Der Einheimische am Steuer meint, er würde gerade arbeiten – er liefert Eis aus. Anna-Lenas freche Antwort „Well, you can deliver us to Manoa Falls“ bringt ihn zum Lachen und er meint, wir sollen einsteigen. Dass wir gerade ernsthaft zu einem Fremden mit Süßigkeiten in einen Liefervan gestiegen sind, ist uns beiden erst später bewusst geworden. Im Endeffekt fährt der nette Kerl uns eine halbe Stunde ins Landesinnere, schenkt uns T-Shirts vom eigenen Start-Up-Label mit hawaiianischen Motiven bedruckt und drückt uns noch Wassereis im Wert von 15$ in die Hand. Die Onopops Popsickles sind biologisch und ausschließlich lokal angebaut. Gerade auf Hawaii, wo 95 Prozent der Konsumgüter importiert werden, ist es wichtig, die Wirtschaft und lokale Anbieter zu unterstützen. So schnell wie das Eis schmilzt, können wir aber gar nicht lecken.
Gleichzeitig fassen wir unser Glück kaum. Sowas hätte in Deutschland mit Sicherheit nicht geklappt. Das Verrückte dabei ist, dass wir ab diesem Tag nur noch per Anhalter gefahren sind und es hat jedes Mal geklappt. Ich habe irgendwann gefragt, ob wir „Feed the Germans“ auf der Stirn stehen hätten, nachdem wir das dritte Mal mit Essen überhäuft wurden. Nach einigen Tagen haben wir dann beschlossen, nur noch auf der Ladefläche von Pick Up-Trucks zu hitchhiken. Das ist nämlich wie Cabrio fahren und man sieht mehr von der Landschaft. Ich habe mir geschworen, diese Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft, die ich auf Hawaii erfahren habe, eines Tages an andere junge Reisende weiterzugeben.
Nachdem Mobilität kein Problem mehr war, haben wir täglich Ausflüge gemacht. Vom Diamond Head Crater hat man eine geniale Aussicht über die Wolkenkratzer von Honolulu. Der schönste Strand der Insel findet sich an der Ostküste in der Kailua Bay. Im unter Naturschutz stehenden Korallenriff der Hanauma Bay haben sich Schildkröten und eine extrem unheimliche Moräne beim Schnorcheln zu uns gesellt. Im Westen in der Bay of Dreams kann man den neuesten Trend S.U.P. (Stand Up Paddeling) umsonst ausprobieren, wenn man sich zu Uncle George durchfragt. Das Surfen lernt man ganz gut am berühmten Waikiki Beach.
Hier tummeln sich zwar die Touristen, allerdings sind die Wellen genau richtig hoch, um zu üben. In der zweiten Parallelstraße zum Strand befindet sich ein kleiner Surfshop. Dort kostet das Leihen eines Surfbretts nur halb so viel wie direkt am Strand. Allerdings sollte man richtig weit hinauspaddeln, denn wenn man in der Nähe des Felsriffs vom Brett fällt, kann man sich richtig wehtun. Ich denke, keiner möchte sich wie ich beim Lifeguard wieder finden, der die wie verrückt blutende Schnittwunde an der Fußsohle nur mit einem grinsenden „That’s a good one“ kommentiert.
Anna-Lena hat weiterhin ein außergewöhnliches Talent aufgezeigt, mit den Einheimischen zu flirten. Ehe ich mich versehe, finden wir uns auf einem Segelboot mitten im Pazifischen Ozean wieder. Das Ziel ist eine geheime Sandbank in der Nähe der Kaneohe Bay. Dort kann man Kilometer weit von der Küste entfernt im hüfthohen Wasser stehen und sich das ein oder andere Bier gönnen. Das Vorurteil, es gäbe kein Bier auf Hawaii, das sich seit dem deutschen Schlagersong in den 60ern wacker gehalten hat, ist definitiv falsch. Von der Kona Brauerei gibt es gleich drei leckere Biersorten in einem Karton: Big Wave, Fire Rock und Long Board. Bier trinken bildet in dem Fall sogar, denn in jeder Flasche gibt’s ein hawaiianisches Wort mit englischer Übersetzung. Quasi ein Gratis-Sprachkurs.
Wer dazu noch etwas Kultur abgreifen möchte, dem empfehle ich einen Hula Tanzkurs. Wenn man im entsprechenden Alter ist, kann man sich auch einfach als internationaler Student der Hawaian Pacific University (HPU) ausgeben und sich in den Kurs an der Uni reinschmuggeln. Die gelernten Tanzmoves werden anschließend in den zahlreichen Clubs und Bars in Waikiki vorgeführt. In der Studentenkneipe Mousses gibt es dienstags Vodka-Cranberry oder Gin-Tonic zum unschlagbaren Preis von einem Dollar. Das führt dazu, dass die Tanzfläche prallvoll mit Studenten aus aller Welt ist, was die Stimmung nur noch besser macht.
Für alle Wanderer unter euch habe ich noch einen absoluten Geheimtipp: die „Stairways to Heaven“. Seit 1987 ist der Wanderweg der Haiku Stairs gesperrt, da zu viele Menschen auf den Treppen verunglückt sind. Die Lebensmüden unter uns wagen sich allerdings illegalerweise immer noch hoch. Der Trick dabei ist, die Wanderung mitten in der Nacht zwischen 3 und 5 Uhr anzutreten, denn genau in dieser Zeit gibt es keine Polizei, die sonst fast rund um die Uhr den Eingang zu den Treppen bewacht. Wenn man erwischt wird, gilt es zu flüchten oder sich herauszureden, denn die Geldstrafe liegt bei 650$. Der gigantische Panoramablick, gepaart mit dem Reiz des Verbotenen, macht die Wanderung zu einem einzigartigen Erlebnis.
Apropos Adrenalin! Auf Oahu gibt es zwei Anbieter für Skydiving. Wir haben uns für Pacific Skydive entschieden, weil die eine Extrem-Variante anbieten, bei dem der freie Fall anstelle von 15 ganze 60 Sekunden dauert. Ganz getreu dem Motto: Wenn schon, denn schon!
Beim Unterschreiben der ganzen Formulare läuft es mir kalt den Rücken herunter. Ich habe also zur Kenntnis genommen, dass beim Skydiving viele unberechenbare Variablen wie das Wetter mitspielen und durchaus Unfälle passieren können. Kurz vor dem Abflug wird mir dann gesagt, dass ich selbst springen muss. Ich hatte angenommen, dass ich bei einem Tandem-Sprung einfach nur an dem erfahrenen Springer dran hänge, wie ein nasser Sack. Dass man rein rechtlich gesehen allerdings keine Leute bei 4500 Meter Höhe aus Flugzeugen stoßen darf, hätte ich mir eigentlich denken können.
Als es dann soweit ist, stelle ich mir einfach vor, dass ich mich in einem Video-Game befinde. Das Bild, das sich mir zeigt, ist sowieso total surreal. Wenn ich sterbe, dann befinde ich mich immerhin schon im Paradies. Also denke ich nicht weiter darüber nach, wehre mich gegen den mir angeborenen Überlebensinstinkt und lehne mich nach vorne. Der Fall an sich ist unbeschreiblich. Ich kann nur sagen, dass es eine lebensverändernde Erfahrung ist und ich mir sicher war, dass ich jetzt sterben würde. Ich würde es sofort wieder tun, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte.
Um kurz einen auf Wikipedia zu machen: die Inselkette Hawaii umfasst acht Hauptinseln, von denen sich neben Oahu besonders Maui und Hawaii (The Big Island) anbieten. Mit einem kleinen Flieger von Hawaiian Airlines geht es für uns also noch zum wilden Island Hopping auf die größte der acht Inseln. Dort gibt es unter anderem den Mauna Kea, einen inaktiven Vulkan. Wenn man vom Fuß des Berges, der weit unter dem Meeresspiegel liegt, bis zum Gipfel misst, ist Mauna Kea mit seinen über 17.000 Meter der höchste Berg der Erde, aber darüber lässt sich streiten. Sobald die Dunkelheit hereinbricht, können Besucher an einem kostenlosen Stargazing Programm in der Sternwarte teilnehmen, wo die derzeit leistungsfähigsten Teleskope bereitstehen.
Eine weitere nächtliche Aktivität ist das Tauchen mit Riesen-Mantarochen, was verschiedene Anbieter im Programm haben. Bei kompletter Dunkelheit nachts im offenen Meer zu tauchen, erfordert an sich schon Mut. Das Blut gefriert in den Adern, wenn die weißen Monster aus der Tiefe ihr gruseliges Unterwasser-Ballett aufführen und dir so nah kommen, dass sie dich sogar streifen.
Im Volcanoes National Park finden sich zwei weitere Vulkane, die dieses Mal allerdings zu den aktivsten Vulkanen der Welt gehören. Unser Versuch, fließende Lava zu sehen, ist jedoch kläglich gescheitert. Dabei waren wir wirklich kreativ! Im lokalen Radio wurden die Wohngebiete durchgegeben, die derzeit evakuiert wurden, da die Lava immer näher kam. Dank Google Maps haben wir besagte Wohngebiete auch schnell gefunden, nur leider hat eine Polizeikontrolle die Straße gesperrt. Der verzweifelte Versuch, uns abseits der Straße durch den Dschungel zu schlagen, war ebenfalls nicht die beste Idee. Natürlich haben wir komplett die Orientierung verloren und konnten froh sein, dass wir bei Einbruch der Dunkelheit mit komplett geschundenen und mit Kratzwunden übersäten Körpern wieder zur Straße gefunden haben. Mögen zukünftige Reisende aus unseren Fehlern lernen.
Als finalen Geheimtipp habe ich noch einen richtigen Kracher für euch. Auf Big Island gibt es die Captain Cook Bay, in der die Chancen extrem gut stehen, mit wilden Delfinen zu schwimmen.
Den Tipp hat uns ein Einheimischer gegeben. Wichtig bei der Sache ist, dass man am frühen Morgen, am besten noch vor Sonnenaufgang, ins Meer geht. Wir mussten zwar um vier Uhr nachts aufstehen, aber es hat sich allemal gelohnt. Im Wasser war außer uns nur ein lokaler Priester, der meinte, er komme mindestens zwei Mal in der Woche, um die Delfine zu sehen. Delfine seien heilige Wesen und wenn man ihnen Respekt entgegenbringe, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie dir näherkommen.
Nach ca. 30 Minuten sind sie dann tatsächlich da. Eine Gruppe von 15-20 wilden Delfinen. Und siehe da, der Priester hatte recht. Schnell merken wir, dass die verspielten Tiere ganz von selbst zu einem kommen. Wenn man ihnen allerdings hinterher schwimmt, fühlen sie sich gejagt und flüchten. Wir verbringen Stunden im Wasser, bis wir völlig erschöpft zurück an den Strand schwimmen. Mit Delfinen zu tauchen war mein persönliches Highlight und ein absoluter Kindheitstraum. Wirklich beschreiben kann man dieses Gefühl eigentlich gar nicht.
Rückblickend kann ich nur betonen, dass Hawaii definitiv eine Reise wert ist und die Bezeichnung Paradies wirklich verdient hat. Nirgendwo ist das Meer so blau, die Ananas so süß und die Lebenseinstellung so entspannt.
“Aloha.”