GEN Z UND TIKTOK – OFT 0815

EIN KRITISCHER BLICK AUF SELBSTVERWIRKLICHUNG, SOCIAL HYPE UND DIE SEHNSUCHT NACH BEDEUTUNG

Willkommen in der schillernden Welt der GenZ: Die einen nennen sie kreativ, visionär und disruptiv. Die anderen erleben sie als überfordert, unzuverlässig und vor allem – laut.

Zwischen Bali-Yogakursen in der Krankmeldung, Wunschgehältern ohne Qualifikation und TikTok-Videos mit dem „allerbesten Eggdrop Sandwich ever“ zeigt sich ein Generationenbild, das manchmal eher nach Simulation von Tiefe als nach Substanz riecht.

Bei GEHEIMTIPP STUTTGART erkunden wir seit über elf Jahren die schönsten Orte der Region. Wir wissen, was echt ist – und spüren, wenn etwas nach Script klingt. Und was uns aktuell auf Social Media und im Arbeitsalltag begegnet, ist oft vor allem eins: 0815 mit Glitzerfilter.

Die neue Leichtigkeit – und ihre Schattenseiten

Natürlich – neue Perspektiven tun jeder Gesellschaft gut. Und ja, wir brauchen frischen Wind auf dem Arbeitsmarkt, kreative Lebensläufe und mutige Karrieren abseits vom 9-to-5-Denken. Doch was passiert, wenn der Freiheitsdrang zur Verweigerung wird und Selbstverwirklichung zur Ausrede?

Eine Bewerberin, die unbedingt bleiben will – aber nur ohne Probezeit, mit Remote-Garantie und maximal 25 Stunden die Woche? Ein Arbeitsvertrag als Wellness-Angebot? Oder der Praktikant, der sich auf LinkedIn als Projektmanager verkauft, ohne ein einziges Projekt je zu managen? Das mag auf TikTok noch als „manifestieren“ durchgehen – im echten Leben nennen wir das schlicht: unrealistisch.

TikTok – der Turbo für Oberflächlichkeit

Und dann ist da noch TikTok. Eine Plattform, die das Lebensgefühl einer ganzen Generation verdichtet – in Sekunden-Clips mit maximaler Lautstärke. Hier wird jeder mittelmäßige Bagel zur spirituellen Erfahrung hochstilisiert. Jeder zweite Clip beginnt mit einem nervösen „OMG, Leute!!“ und endet mit einer Kaufempfehlung für einen Müsli-Riegel, den „ihr UNBEDINGT probieren müsst!!!“. Dazwischen: Girls mit nervigen Fiepsstimmen, die in 8-Sekunden-Videos erklären, was man auf gar keinen Fall verpassen darf! Meistens im schlimmsten Denglisch – ein ständiges „basically…“, „literally…“, „sorry to disappoint you…“, als ob man nur noch Englisch sprechen darf, um irgendwie relevant zu wirken.

Und weiter geht’s mit dem nächsten Scroll: Overload. Dauerbeschallung. Algorithmen, die Emotionen melken – egal ob Bewunderung oder blanker Hass. Hate-Watching ist längst zum Volkssport geworden. Man schaut, was einen nervt, um sich dann öffentlich darüber aufzuregen. Kommentarspalten als digitale Kleinkriege.

Das Problem daran?

Wer immer nur konsumiert, verlernt das Reflektieren. Wer sich ständig vergleicht, findet nie Ruhe. Und wer ständig auf der Jagd nach dem „allerbesten irgendwas“ ist, verpasst vielleicht das eigentlich Gute – weil es nicht laut genug ist. Kein Wunder, dass laut Studien jeder zweite Jugendliche inzwischen mit psychischen Problemen zu kämpfen hat. Wenn man von morgens bis abends mit Clips bombardiert wird, bleibt wenig Raum für echte Ruhe oder Langeweile – zwei Dinge, die der Seele übrigens richtig gut tun würden.

TikTok-Restaurant-Hypes – Kritik mit Rabattcode

Willkommen im Zeitalter der TikTok-Gastro-Hypes, wo kulinarische Erlebnisse oft nur noch Kulisse sind – für den nächsten viralen Clip. Influencerinnen, die Restaurants „testen“, betreiben weniger objektive Kritik als eine Mischung aus Werbespot und Selbstinszenierung. Die Challenge ist simpel: Deal eintüten, Essen und Drinks for free kassieren, Skript runterrattern, in Szene setzen, posten – und auf Klicks hoffen. Die meistens weiblichen Influencerinnen überschlagen sich dabei mit Superlativen: der beste Burger, das schönste Spa, der life-changingste Smoothie. Und weil das noch nicht reicht, wird hemmungslos erfunden: das besonderste, das leckerstigste, das einzigartigst krasseste Erlebnis everrrr. Sprache wird hier nicht benutzt, sondern verbogen – Hauptsache, es knallt. Hauptsache, es klingt nach mehr, als es ist.

FOMO ist dabei der ständige Begleiter. Die Angst, nicht dabei zu sein, lässt Follower:innen in Scharen in die angeblichen Geheimtipps strömen. Doch was einst ein echtes kulinarisches Highlight war, wird nun zur überfüllten Insta-Location mit mittelmäßigem Essen, aber perfekter Belichtung.

Was dabei verloren geht? Authentizität. Kritik. Und manchmal auch der Geschmack.

Natürlich: Social Media ist mächtig, und neue Orte brauchen Sichtbarkeit. Aber wenn das vermeintliche Urteil einer Influencerin vom Gratis-Menü abhängt, bleibt die Glaubwürdigkeit schnell auf der Strecke. Denn ein echter Geheimtipp ist es nicht mehr, wenn er durch einen gesponserten Post zum Mainstream gemacht wird.

Unser Tipp: Don’t believe the Hype. Verlasst euch lieber auf euren eigenen Geschmack – oder auf Empfehlungen, die nicht nach Rabattcode klingen. Denn ein Geheimtipp ist es erst, wenn wir darüber schreiben. Word.

Zwischen Performance und Realität

Ob im Arbeitsleben oder auf Social Media: Die GenZ ist oft stark in der Performance, aber schwach in der Substanz. Es geht um Wirkung, nicht um Wirken. Um Sichtbarkeit, nicht um Verlässlichkeit. Um den perfekten Aesthetic – nicht um die unbequeme Realität dahinter.

Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele. Junge Talente, die mit Hingabe und Ideenreichtum beeindrucken. Kreative, die TikTok als Bühne für echten Witz, clevere Gesellschaftskritik oder handwerkliches Können nutzen. Aber der Mainstream? Der bleibt oft hängen zwischen Filter und Floskel.

Unser Appell: Mehr Ecken. Weniger Edits.

Wir wünschen uns eine Generation, die nicht nur fordert, sondern auch liefert. Die mehr will als nur Likes – nämlich Bedeutung. Die sich traut, still zu sein. Verantwortung zu übernehmen. Ehrlich zu sein – sich selbst und anderen gegenüber. Denn nicht jedes Eggdrop Sandwich ist eine Offenbarung. Nicht jeder Algorithmus ist dein Freund. Und nicht jedes Selfie spiegelt eine Seele.

P.S.SSSST! Vielleicht liegt das wahre Geheimtipp-Gefühl eben nicht im Bali-Hashtag oder dem nächsten viralen Clip, sondern in etwas ganz Altmodischem: echter Tiefe.