WARUM IMMER MEHR ALTBEKANNTE AUS DEM STADTBILD VERSCHWINDEN UND WAS IHR DAGEGEN TUN KÖNNT
Von der Bedeutung der Lieblingsläden
Wie gerne verbringt ihr eure Zeit im Stuttgarter Stadtzentrum? Ein kleiner Bummel durch die Lieblingsboutiquen, ein Stück Kuchen im kleinen Café um die Ecke und anschließend noch ein paar Köstlichkeiten für das Abendessen besorgen: Klingt nach eurem perfekten Tag? Dann genießt ihn, solange es noch möglich ist. Denn das Stadtbild in Stuttgart verändert sich stetig. Alteingesessene Unternehmen, Kult-Kneipen, Stammrestaurants und Einzelhändler, die hier seit Jahrzehnten ansässig sind, verschwinden immer mehr aus dem Stadtbild. Das kann nicht nur euer Einkaufserlebnis trüben, sondern mindert auch die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt. Denn diese Orte dienen nicht nur dem Konsum, sondern gestalten auch das soziale Miteinander. Es sind Räume, um zusammenzukommen und sich auszutauschen. Kneipen, Cafés und Restaurants dienen als ausgelagerte „Wohnzimmer“, in denen Menschen sich treffen, vielleicht sogar ohne sich verabreden zu müssen. Es sind gewachsene Strukturen, die einen Rahmen geben und Herzstücke ihrer jeweiligen Nachbarschaften sind.
Zahlreiche Gründe, ein Effekt: Abschiednehmen von vielen Klassikern
Die Gründe dafür, warum sich die Innenstädte so stark verändern, sind vielfältig. Der Onlinehandel sorgt dafür, dass per Klick alle erdenklichen Produkte nach Hause geliefert werden. Gleichzeitig findet durch große internationale Ketten eine Gleichschaltung des Angebots statt. Für Einzelunternehmer*innen gibt es zahlreiche Gründe, warum sie ihr Geschäft oder Lokal aufgeben müssen: steigende Mieten, nötige Umbauten, Pächterwechsel, private Entscheidungen oder einfach fehlende Nachfolger*innen. Aber natürlich spielen auch die wirtschaftliche Situation der Konsument*innen, die Frequentierung der Innenstädte, die sich durch das Arbeiten im Homeoffice verändert hat, sowie der Fachkräftemangel und viele weitere wirtschaftliche Aspekte eine Rolle. Die Fritty Bar in S-Mitte, Feinkost Panzer im Stuttgarter Westen, Der Löwe in Vaihingen, das Enchilada in der Eberhardstraße oder seit kurzem auch das 5 in der Bolzstraße sind nur einige Namen von Orten, ohne die ihr an gewohnter Adresse erst mal auskommen müsst.

Viele traditionelle Unternehmen wie die Metzgerei Wagner oder die Bäckerei Hafendörfer waren jahrzehntelang Institutionen in Stuttgart, haben aber mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie so zu kämpfen gehabt, dass sie schließen mussten. Es gibt noch viele weitere Beispiele. Sicherlich fällt euch auch das ein oder andere ein.
Aber wie geht’s jetzt weiter?

Die Innenstadt der Zukunft: mehr Erlebnis, stärkere Bedürfnisorientierung
Die gute Nachricht ist, dass die Herausforderungen identifiziert wurden, denen sich die Händler*innen und Gastronom*innen künftig stellen müssen. Die City Initiative Stuttgart, kurz CIS, die Interessenvertretung für alle Gewerbebetriebe in der Stuttgarter City, entwirft ein Szenario für die Zukunft, das allen Akteur*innen zugutekommt:
„In Zukunft wird es immer wichtiger sein, dass Händlerinnen und Händler ihre Nische finden und den Kundinnen und Kunden ein Angebot liefern, das die jeweiligen Bedürfnisse bedient. Einkaufen als Erlebnis, Innenstädte als Erlebnis werden immer wichtiger. Mit dem Verbund der Stuttgarter Traditionsgeschäfte wurde eine Wertegemeinschaft geknüpft, die den Einzelhandel in Stuttgart stärken und einmalige Shopping-Erlebnisse bieten soll. Innerhalb des Verbundes stärken sich die Händlerinnen und Händler auch gegenseitig. Wir als City-Initiative Stuttgart e.V. unterstützen diesen Verbund, ebenso wie Händlerinnen und Händler, die noch nicht Teil der Traditionsunternehmen sind. Wir versuchen, das Stadtbild und das Shoppingangebot möglichst vielfältig und bunt zu halten, um Stuttgart in seiner Einzigartigkeit für alle Besucherinnen und Besucher der Innenstadt attraktiv zu gestalten. Gleichzeitig vertreten wir als Verein die Interessen unserer Mitglieder gegenüber Stadt und Politik.“

Social Media vs. analoge Erlebnisse
Scroll, scroll, scroll: Foodporn, nächster Hype, krasses Reel, beim stylishen Laden um die Ecke wächst die Schlange. Wie beeinflussen Social-Media-Trends den Geschmack und die Entscheidungsfindung? Digital ist für alteingesessene Restaurants eine ganz neue Form von Konkurrenz entstanden. Smashed Burger, Cookies oder Egg Drop Sandwiches sind nur einige der großen Trends, die die Geschmäcker massiv beeinflusst haben. Was Influencer*innen schmeckt, kann im Extremfall Auswirkungen auf die gesamte Gastro- und Handelsbranche haben.
Klar, könnte man jetzt sagen, Social-Media-Kanäle kann doch jeder aufbauen, allerdings werden dafür auch jede Menge Ressourcen gebraucht. Influencer-Marketing, Social-Media-Management und die Verwaltung der Accounts ist ein Job für sich. Es werden Personen benötigt, die sich darum kümmern, was wiederum Ressourcen bindet, die oft nicht verfügbar sind. Außerdem sind diese digitalen Inhalte subjektiv vorgefiltert. Es ist etwas völlig anderes, wenn man durch eine Stadt spaziert und sich anhand von Interieur, Atmosphäre und Auswahl auf der Karte überzeugen lässt, irgendwo einzukehren, statt anhand von Likes und Hashtags zu entscheiden.


