HAUSTIER-HYPE IN DER PANDEMIE

Mit fast 35 Millionen Haustieren landet Deutschland auf Platz 2, was die Anzahl der Haustiere in Europa angeht. Tendenz steigend! Die Corona-Zeit hat einen regelrechten Haustier-Hype ausgelöst. Kein Wunder – immerhin verbringen wir pandemiebedingt viel Zeit zu Hause, dürfen kaum Freunde empfangen oder besuchen, geschweige denn verreisen. Damit sind all die Dinge, die bislang noch gegen ein Haustier gesprochen haben, passé. Also: Wenn nicht jetzt, wann dann? 

GRÜNDE FÜR EIN HAUSTIER

Die meisten von uns haben schon einmal darüber nachgedacht, sich ein Haustier anzuschaffen. Ist ja auch erst mal eine ziemlich romantische Vorstellung: Man hat immer einen treuen Begleiter, der einem zuhört, nicht unterbricht, urteilt oder anderer Meinung ist. Außerdem ist immer jemand da, der uns begrüßt, wenn wir nach Hause kommen, mit dem man kuscheln kann und und und…

Selbst die Wissenschaft zeigt, dass es viele Gründe für ein Haustier gibt: Haustiere senken nachweislich unser Stresslevel und machen uns allgemein stressresistenter. Durch sie lernen wir, Verantwortung zu übernehmen, sie halten uns fit, spüren Gefahren und spenden Trost. Als zuverlässige Partner begleiten sie uns durch schwierige Situationen wie Prüfungsangst oder eine Trennung. Außerdem senken Haustiere das Allergierisiko, stärken das Immunsystem und – nicht zu vergessen – sie bringen natürlich eine Menge Spaß und Freude ins Leben.

CHECKLISTE: BEREIT FÜRS HAUSTIER?

Neben Spaß und Freude bringen Haustiere aber auch ziemlich viele Pflichten mit. Bevor man ein Haustier adoptiert, sollte man sich immer fragen, ob der Vermieter einverstanden ist, ob es in der Familie oder dem näheren Umfeld Allergien gibt und ob man für die gesamte Lebensspanne des Tieres ausreichend finanziell gewappnet ist. Neben Kosten für Futter, Ausrüstung und Unterbringung müssen auch die Aufwendungen für den Tierarzt, die Versicherung und Steuer berücksichtigt werden. Zudem sollte man sich ausreichend über die individuellen Ansprüche des Tieres informieren und überlegen, ob man genügend Zeit zur Verfügung hat, um für Beschäftigung, Sozialkontakt und Bewegung zu sorgen. Man darf nicht vergessen, dass die Pandemie (hoffentlich) irgendwann vorbei ist. Wer kann sich um das Tier kümmern, wenn wir wieder reisen dürfen und uns das Fernweh packt? 

Natürlich sollte uns all das nicht vom Aufnehmen eines Tieres abhalten! Es sollte aber im Voraus bedacht werden, um böse Überraschungen zu vermeiden. 

WELCHES TIER PASST ZU MIR?

Viele Menschen haben eine Vorliebe für Hunde und Katzen. Nicht umsonst sind das die beliebtesten Haustiere in Deutschland, wobei die Katze zahlenmäßig sogar überlegen ist. Das liegt größtenteils daran, dass Katzen dann doch irgendwie pflegeleichter sind als Hunde. Die Vorstellung von einem eigenen Hund, der schließlich den Ruf als „bester Freund des Menschen“ genießt, klingt für viele verlockend. Aber Vorsicht: Einen Hund kann man nicht so lang allein lassen, er möchte beschäftigt werden und braucht Auslauf. Auch bei schlechtem Wetter. 

Wenn du dich bei Regen und Kälte lieber im Warmen verkriechst, gerne zu Hause und ein tendenziell eher gemütlicher Mensch bist, ist ein Kaninchen, Hamster, Meerschweinchen, Fisch oder eine Katze womöglich das richtige Haustier für dich.

Am Ende entscheidest du, welcher fellige Mitbewohner am besten zu dir passt. Wichtig ist nur, die Entscheidung niemals leichtfertig zu treffen. Es geht um ein lebendiges Wesen mit eigenen Bedürfnissen, für die du die nächsten Jahre (bei Hunden und Katzen sprechen wir von ein bis zwei Jahrzehnten) eine große Verantwortung trägst. Dieser Verantwortung solltest du dir von Anfang an bewusst sein. 

AUF EIN GESPRÄCH MIT ANTJE PÄGLOW

Antje Päglow ist Vorsitzende und Tierheimleiterin vom Tierschutzverein Tierfreunde Filderstadt e.V. Sie freut sich natürlich, dass seit Beginn der Pandemie mehr Haustiere, insbesondere Hunde und Katzen, vermittelt werden konnten. Mit uns hat sie aber auch über die große Befürchtung der Tierheime gesprochen: eine Abgabe-Welle mit dem Ende des Lockdowns.

Frau Päglow, die Pandemie hat unser aller Leben verändert. Wie sehen diese Veränderungen im Tierheim aus?

Unser Tierheim ist aufgrund des Lockdowns geschlossen. Wir sind natürlich nachwievor vor Ort und kümmern uns um unsere Tiere, vereinbaren bei Interesse an einem Tier aber nur noch gezielt, nach einer ersten Kontaktaufnahme per Telefon oder E-Mail, Termine. Obwohl dieses Konzept mehr Zeit in Anspruch nimmt, hat es uns überzeugt: Die Tiere sind entspannter und man kann sich viel mehr Zeit für die einzelnen Interessenten nehmen. Deshalb wollen wir es auch nach der Pandemie beibehalten. 

Dann hatte die Pandemie ja etwas Gutes! Gibt es trotzdem auch Schattenseiten?

Natürlich. Seit Beginn der Pandemie haben wir viel mehr Tiere vermittelt. Während uns früher gerade einmal 1-2 E-Mails von Interessenten am Tag erreicht haben, sind es inzwischen etwa 20. Im ersten Lockdown waren es teilweise sogar 50. Wir freuen uns natürlich darüber, wie viele Tiere ein neues Zuhause gefunden haben. Mit dem Ende des Lockdowns kann das aber zu einem großen Problem werden. Wir fürchten eine große Flut an Abgaben.

Weil die Menschen gerade zu viel Zeit haben, gelangweilt sind und sich nur deswegen ein Haustier anschaffen, das sie dann später wieder abgeben?

Nicht unbedingt. Anfragen aus Lust und Laune bekommen wir selten. Und wenn, merken wir das sehr schnell, sodass eine Vermittlung gar nicht erst zustande kommt. Problematisch ist eher das Finanzielle. Das wird häufig unterschätzt. Die Pandemie hat viel Kurzarbeit, Insolvenzen und Arbeitslosigkeit gebracht. Da bleibt kein Geld mehr für Tierarztkosten und Maßnahmen wie Hundeschule. Hundeschulen sind ohnehin in den meisten Bundesländern geschlossen, weshalb wenig bis gar nicht an der Sozialisation und am Verhalten von Hunden gearbeitet werden kann. Wenn die Menschen nach der Pandemie dann wieder Besuch bekommen oder nicht mehr hauptsächlich im Homeoffice arbeiten, können die Hunde damit nicht umgehen, weil sie es nicht gelernt haben. Im schlimmsten Fall reagieren sie mit Aggression – dem häufigsten Abgabegrund.

Wie kann man verhindern, dass es zu einer Vielzahl an Abgaben kommt? Was raten Sie Menschen, die überlegen, sich ein so pflegeintensives Haustier wie einen Hund anzuschaffen?

Die Vermittlung sollte gut durchdacht sein. Viele Familien, Paare oder Singles haben sich ja schon vor Corona ein Haustier gewünscht, haben es aus Vernunftgründen aber immer wieder hinausgezögert. Dann kann man schon sagen „Wenn nicht jetzt, wann dann?“. Warten sollte man, wenn man bemerkt, dass das Tier von seinem Wesen nicht zu einem passt. Auf Teufel komm raus einen Hund adoptieren, weil gerade kein anderer mehr da ist? Besser nicht! Um herauszufinden, ob Hund und Halter zueinander passen, kann man ein paar Mal probeweise Gassi gehen. Außerdem kann man mit den Tierpflegern gemeinsam das Trainingskonzept aus dem Tierheim üben, sodass zu Hause daran angeknüpft werden kann. Und bitte haben Sie nicht zu hohe Ansprüche an Ihr Tier! Gerade mit Hunden muss viel geübt und trainiert werden. Erwarten Sie nicht, dass er von heute auf morgen absolut gesellschaftsfähig oder stubenrein ist. Das klappt bei Kindern ja auch nicht.

Man hört ja auch immer wieder von illegalem Welpenhandel. Was ist das Problem an den sogenannten Kofferraum-Welpen?

Die Welpen kommen aus Massenvermehrungen. Häufig aus Osteuropa. Dort leben die Hunde in sehr schlechten Verhältnissen, sind oft krank. Gendefekte und gesundheitliche Probleme werden auf die Welpen übertragen. Der illegale Handel geht auf Kosten der Tiere, während die Händler ein Schweinegeld verdienen. Mein Rat: Lassen Sie sich niemals auf Tier-Schnäppchen im Internet oder auf der Straße ein. Damit sind Sie Teil des Problems und unterstützen diese illegalen Geschäfte. Schließlich gilt auch hier: Angebot und Nachfrage!

Wenn man alles bedacht und die Entscheidung für ein Haustier getroffen hat, wo kann man dann guten Gewissens nach einem Haustier Ausschau halten?

Soll es eine bestimmte Rasse sein, lohnt sich der Weg zum Züchter oder in die Zoohandlung. Allerdings gibt es dort momentan sehr lange Warteliste. Ansonsten kann man natürlich in Tierheimen oder bei Tierschutzvereinen schauen und einsamen Tieren mit einer oft traurigen Vergangenheit die Chance auf ein neues Zuhause und eine schöne Zukunft geben.

TIERHEIME UND TIERSCHUTZ IN UND UM STUTTGART:

Tierschutzverein Stuttgart und Umgebung e. V. mit Tierheim in Stuttgart-Botnang: https://stuttgarter-tierschutz.de

Vergessene Pfoten Stuttgart e. V.
(retten Tiere von ausländischen Tötungsstationen vor allem auf Mallorca und aus Rumänien): 
https://www.vergessene-pfoten-stuttgart.de

Tierschutzverein Tierfreunde Filderstadt e. V. mit Tierheim:
https://tierschutz-filderstadt.de

Fellnasen Stuttgart e. V.
(unterstützt Projekte in Bulgarien, Italien und natürlich Deutschland, vermitteln Tiere aus verschiedenen Auffangstationen bzw. Tierheimen): 
https://www.fellnasen-stuttgart.de

Help for Paws e. V.
(retten heimatlose, ausgesetzte Streuner in Griechenland und Portugal): 

Glücksnäschen Stuttgart e. V.
(unterstützt zwei Auffangstationen und ein privat geführtes Tierheim in Rumänien): https://www.glücksnäschen-stuttgart.de

P.S.SSSST! Habt ihr gewusst, dass Schokolade für Hunde und Katzen giftig ist? Schuld ist eine koffeinähnliche Substanz, die vor allem in Bitterschokolade und Kakaopulver enthalten ist.