Dürfen wir vorstellen: Helmut H. Schmid vom Trott-war e.V. Der 64-jährige Stuttgarter ist Gründer, Geschäftsführer und Chefredakteur der Straßenzeitung.
Wir alle kennen die freundlichen Verkäufer*innen, die in den Stuttgarter Stadtgebieten, im Umland und den Außenstellen die Straßenzeitung „Trott-war“ verkaufen. Die wenigsten wissen jedoch, dass hinter der Straßenzeitung ein Verein steckt, der seit seiner Gründung vor fast 30 Jahren ein Ziel verfolgt: Durch das Prinzip „Beteiligen statt nur versorgen“ soll sozial benachteiligten Menschen ein zusätzliches Einkommen, eine Perspektive und eine Möglichkeit der Integration in die Gemeinschaft geboten werden. Helmut H. Schmid ist Gründer, derzeitiger Geschäftsführer sowie Chefredakteur der Straßenzeitung. Zudem kümmert er sich um die Finanzen, Kunstinitiativen, das Personalwesen – um eigentlich alles. Ein echter Local Hero eben!
Zweck des 1994 gegründeten Vereins Trott-war e.V. ist, ein Forum in Form einer Straßenzeitung zu schaffen, in dem sozial benachteiligte, langzeitarbeitslose und obdachlose Menschen ihre Lebenssituation darstellen und durch den Zuverdienst via Zeitungsverkauf positiv verändern können. Trott-war bedeutet, der Trott war einmal, ist mit der Straßenzeitung vorbei.
Die Straßenzeitung arbeitet ohne öffentliche Mittel, um unabhängig zu sein. Sie finanziert sich allein aus Einnahmen aus Zeitungsverkauf, Anzeigen und alternativen Stadtführungen von Obdachlosen sowie Einnahmen aus Verkauf und Vermietung von Kunst und Pfanderlösen am Stuttgarter Flughafen und Mitgliedsbeiträgen, Abonnements und Zuwendungen von Sponsor*innen und Spenden von Privatpersonen.
Straßenzeitungen wollen Lobby für sozial benachteiligte Menschen sein, weil diese keine Lobby haben. Dies macht Trott-war durch die Beteiligung seiner Verkäufer*innen statt durch bloße Versorgung, die sozial benachteiligte Menschen unmündig macht. So können sie sich nicht nur ein paar Euro hinzuverdienen, sondern aktiv teilhaben, sie gewinnen neue Perspektiven und entlasten die öffentlichen kommunalen Kassen. Die Verkäufer*innen stehen bei Trott-war im Mittelpunkt. Trott-war hat schon bis zu 20 Verkäufer*innen sozialversicherungspflichtig angestellt und von Grundsicherung oder Hartz IV unabhängig gemacht.
In 28 Jahren ist Trott-war gewachsen und organisiert neben der monatlichen Herausgabe einer Straßenzeitung eine Vielfalt anderer Unternehmungen: Es gibt eine alternative Stadtführung an soziale Brennpunkte durch Verkäufer*innen, ein professionelles Theater, in dessen Ensemble Verkäufer*innen mitspielen, eine Kunstgalerie trott!art, die Kunst von sozial benachteiligten und etablierten Künstler*innen verkauft und vermietet, ein Wohnprojekt und eine Grabanlage für Verkäufer*innen. Ein Team von sozial benachteiligten Mitarbeitenden sammelt Pfandflaschen am Stuttgarter Flughafen. Kostenloses Frühstück, Kleiderkammer, medizinische Hilfen wie Zahnersatz, Schulungen und Weiterbildungen wie Deutschunterricht für ausländische Verkäufer*innen sowie sozialarbeiterische Hilfen sind weitere Angebote des Vereins.
Trott-war findet große mediale Beachtung durch sein gemeinnütziges und mildtätiges Engagement, aber auch durch eine eigene professionelle Berichterstattung über soziale Brennpunkt-Themen und den Verkauf von derzeit rund 30.000 Straßenzeitungen pro Monat.
Wir haben Helmut H. Schmid ein paar Fragen gestellt:
Soziales Engagement ist wichtig, weil…
…unsere Zeit immer schnelllebiger wird, die Menschen – vom Raubtierkapitalismus infiziert – immer egoistischer werden und unsere Gesellschaft ohne sozialen Einsatz immer mehr sozial benachteiligte Menschen dem Untergang und der Verelendung anheim gibt.
Den Verein unterstützen kann man, indem…
…man sich ehrenamtlich engagiert, Mitglied wird, unseren sozial benachteiligten Mitarbeitenden eine Straßenzeitung abkauft und/oder finanzielle Unterstützung leistet.
„Beteiligen statt nur versorgen“ ist besser, weil…
…man die Menschen dadurch bewusst wahrnimmt, sie ernstnimmt, sie sich dadurch geehrt fühlen und Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl entwickeln. Mit bloßer Versorgung sind sie nur eine Nummer, bleiben anonym und werden nicht wahrgenommen, was ihnen jede Hoffnung nimmt.
Ich mag meinen Job, weil…
…ich dabei meine Passion und mein leidenschaftliches redaktionelles Arbeiten mit meinem Beruf verbinden, den Verein in eine menschliche Richtung entwickeln und mich selbst verwirklichen kann und ich sehr viel zurückerhalte, von denen, denen ich zu helfen versuche.
Ich mag Menschen, die…
…sich engagieren, ihr Privatleben und ihre Arbeit nicht strikt trennen müssen und sich kreativ Gedanken über sich selbst und die Zukunft unseres menschlichen Daseins machen.
Unfassbar finde ich, dass…
…Menschen auf dieser Welt verhungern und verarmen müssen, während gleichzeitig einige immer wenigere Menschen immer reicher werden, im Überfluss leben und nichts an arme Menschen abgeben wollen.
Das Wichtigste in meinem Leben ist…
…meine Familie, meine Arbeit und Kunst und Kultur.
Das letzte Buch, das ich gelesen habe, war…
…„Corpus delicti. Ein Prozess“ von Juli Zeh.
Als Kind konnte ich mich begeistern für…
…Natur, Tiere und Abenteuer.
Stuttgart bedeutet für mich…
…eine geographisch schön gelegene Stadt mit viel Grünfläche, aber auch eine Landeshauptstadt, mit deren politischen Verordnungen – vor allem im sozialen Bereich – ich mich häufig überhaupt nicht einverstanden erklären kann.
An Stuttgart schätze ich besonders, dass…
…es viele Theater und kulturelle Einrichtungen gibt und die Stadt in ihrer Trichterlage über viel Grünflächen in Berg- und Tallagen verfügt.
Zum Winter in Stuttgart gehört auf jeden Fall…
….ein Weihnachtsmarkt, viele Möglichkeiten, sich im Warmen zu treffen und auch zu feiern.
Weihnachten verbringe ich…
…im engsten Familienkreis und Heiligabend manchmal auch bei Trott-war mit sozial benachteiligten Menschen.
2023 freue ich mich auf…
…die Arbeit in unserem neu hinzugewonnenen Verein „Bürger für Berber e.V.“ in Oberesslingen und dort vor allem in unserer Schreinerei und in unserer Kunstwerkstatt sowie in unserer sich im Bau befindlichen Siebdruckerei.