HÜ ODER HOTT

“Low-Carb oder Low-Fat? Oder doch lieber Fasten?”

Das Thema Abnehmen und Gewichtskontrolle ist immer aktuell, daher schreibe ich auch heute ein paar Zeilen dazu. Es scheint fast so zu sein, dass sich die Low Carb-Phase in ihren letzten Zuckungen befindet und einem neuen Trend, dem „Intermittierenden Fasten“, das Feld überlassen muss.

Vor noch nicht allzu langer Zeit musste man auf jede Art von Fett verzichten. Tierische Fette aus dem Fleisch, aber auch aus der Milch waren quasi tabu. Die Mütter übertrafen sich gegenseitig darin, furztrockene, dafür aber fettarme Kuchen zu backen. Schlagsahne durften selbst so dünne Hungerhaken wie ich, nicht ohne schlechtes Gewissen essen.

Low-Fat wurde durch Low-Carb ersetzt, was die Sache nicht einfacher machte. Plötzlich waren gesunde Lebensmittel wie Reis, Kartoffeln oder Getreide verpönt. Seit mehreren Jahren quält sich die Menschheit der westlichen Hemisphäre mit der Frage, welche Kohlenhydrate man essen und welche man besser weglassen sollte. Bis diese Frage entschieden ist, bzw. bis die Menschheit kapiert hat, worüber überhaupt diskutiert wird (wer weiß schon, was Kohlenhydrate sind?), erscheint schon ein neuer Trend am Diäthimmel – das intermittierende Fasten.

Zurzeit wird also das gute alte Fasten wiederentdeckt und in neuen Kleidern aufgewärmt. Es kursieren dazu verschiedene Ideen. Die drei wichtigsten im Überblick:
  • Heilfasten – mehrere Tage am Stück nichts essen; es dürfen Tees und manche Fruchtsäfte getrunken werden.
  • 5:2 – fünf Tage essen (dabei werden kaum Vorschriften gemacht, was man zu sich nehmen sollte) und zwei Tage Nulldiät.
  • Intermittierendes Fasten: 16 Stunden ohne Nahrungsaufnahme und acht Stunden, in denen man essen darf. Dabei wird darüber gestritten, ob man besser auf das Frühstück oder das späte Abendessen verzichten sollte.

In einem aktuellen Artikel hat Christopher Gardner von der Stanford University Medical School wieder einmal die verschiedenen Diätformen miteinander verglichen. Dabei nahm er vor allem die Low-Fat und Low-Carb Varianten unter die Lupe und untersuchte den Einfluss der verschiedenen Methoden auf den Stoffwechsel der Probanden und verglich dabei auch deren Gewichtsverlust. Das frustrierende (oder auch beruhigende) Ergebnis: im Schnitt haben die Teilnehmer der fettarmen Diät 5,3 Kilogramm und die der Low-Carb Gruppe ca. sechs Kilogramm abgenommen – und das nach einem Jahr! Laut Gardener ist der Unterschied zu gering, um beweisen zu können, dass eine Methode der anderen überlegen ist.

Dass Fasten viele positive gesundheitliche Auswirkungen hat, ist hinlänglich bewiesen. Und auch, dass man abnimmt, wenn man nichts oder sehr wenig isst. Das Problem besteht nur darin, dass man das Fasten irgendwann einmal brechen muss. Das heißt, die Probanden halten ein „Heilfasten“ nicht sehr lange durch, denn dann schlagen schon die negativen Auswirkungen des „Nichts-essen“ durch. Intermittierendes Fasten ist leichter durchzuhalten und eigentlich nur ein schöner Name für disziplinierte und vor allem geregelte Nahrungsaufnahme. Wer nur drei Mahlzeiten am Tag zu sich nimmt und dabei darauf achtet, zwischen den Hauptmahlzeiten nicht zu naschen und auch keine zuckerhaltigen Getränke trinkt, ernährt sich wahrscheinlich optimal – wenn man das ganze aus der Sicht des Insulinstoffwechsels betrachtet.

Abnehmen und Gewichtskontrolle sind genaugenommen nicht dasselbe. Sein Körpergewicht zu halten ist eine andere Herausforderung, als einige Kilogramm Übergewicht abzunehmen.

Für das Abnehmen braucht es nach Prof. Wiedemann, Endokrinologe aus Stuttgart, grundsätzlich eine andere Strategie. Auf seiner Website www.vorbeuge-medizin.com schreibt er, dass alle bekannten kurzfristigen Diäten unbefriedigende Ergebnisse liefern. Zudem sagt er:

  • Abnehmen durch Sport ist sehr schwierig. Die medizinischen Aktivitätsempfehlungen finden kaum Platz in unserem stressvollen Leben. Die wenigsten Menschen haben Zeit fünf Stunden Ausdauer- und Krafttraining pro Woche zu betreiben.
  • Die psychologischen Probleme der Übergewichtigen werden massiv unterschätzt. 50% der Betroffenen (!) haben erhöhte Werte für Depression und/oder Angst. Ein Drittel der Übergewichtigen leidet unter einer Essstörung.
  • Hinzu kommen hohe Stresswerte, Fatigue und erniedrigte Fitness (VO2-max), sowie eine geringe Stressbelastung und Erschöpfung („Burnout“). Diese Auswirkungen werden bislang kaum berücksichtigt.
  • Diabetes (Zuckererkrankung) und die Folgeerkrankungen sind die entscheidenden medizinischen Probleme. Die Ursachen für eine niedrige Lebensqualität.

Es scheint eine Tatsache zu sein, dass nur langfristige Konzepte Erfolg versprechen – also solche, die man mühelos über mehrere Jahre durchhalten kann. Alle extremen Varianten sind daher schon im Voraus zum Scheitern verurteilt. Die meisten Menschen betreiben ein unwirksames Gewichtsmanagement, das von schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen begleitet wird. Programme ohne Anleitung und ohne Begleitung erzielen laut Prof. Wiedemann schlechtere Ergebnisse, als geführte.

Idealerweise startet man mit einer Untersuchung seiner Blutwerte. Eine Abklärung, ob eine Insulinresistenz bzw. ein Diabetes vorliegen ist für alle Übergewichtigen von strategischer Bedeutung. Eine Messung der Fitness (Leistungsdiagnostik via Spiroergometrie) zeigt Potentiale auf und ermittelt die Belastungsschwellen für das sportliche Training. In seltenen Fällen kann der Endokrinologe mit Medikamenten unterstützen. Die Schlüssel zum erfolgreichen Abnehmen (aber auch zur Gewichtskontrolle) und zum Durchhalten sind emotionale Stabilität und eine hohe Stressresistenz. Auch das kann laut Prof. Wiedemann gelernt werden.

Das Durchhalten eines (hoffentlich gesunden) Programmes – und das ist das Interessante – ist der wichtigste Aspekt beim Abnehmen.

Die Daten verdichten sich, dass es beinahe egal ist, ob man sich an die Regeln von Low-Carb, Low-Fat oder von intermittierendem Fasten hält – Hauptsache man hält sich an irgendeine Regel, und zwar für möglichst lange Zeiträume. Wer es schafft, zwei Jahre ein gewähltes Programm durchzuhalten, wird mit Sicherheit signifikante Verbesserungen erzielen.

Ich höre Sie schon stöhnen, lieber Leser! Zwei Jahre – das klingt ja fast wie Steine klopfen im Gulag. Was aber, wenn Sie sich eine Ernährungsweise aussuchen würden, die Sie 20 Jahre durchhalten könnten? Dann hätte sich das mit der Gewichtskontrolle – also das Halten des Körpergewichts auf einem normalen Niveau – auch erledigt. Aber das ist uns allen wahrscheinlich zu langweilig. Daher werde ich auch weiterhin Artikel über die nächste Diätidee schreiben – was wohl als nächstes kommt?

MEHR INFOS:
www.dr-holzinger.com