ILKA JEGGLE

Spätestens seit der Corona-Pandemie wissen wir, dass hinter jeder Bar, jedem Restaurant, Café und Imbiss ein Gastronom bzw. eine Gastronomin steht, deren Lokal nicht nur eine Einnahmequelle, sondern vor allen Dingen persönliche Erfüllung ist.

Auch Ilka Jeggle ist Gastronomin aus Leidenschaft. Gemeinsam mit ihrem Partner Daniel Hartenstein betreibt sie das Restaurant Zum Ochsen in Kernen im Remstal, etwa 20 Autominuten von Stuttgart entfernt. Der gastronomische Betrieb ist für Ilka eine Art Lebensaufgabe – und beim Betreten des Restaurants wird schnell klar, wieso: Das Restaurant Zum Ochsen ist als ehemalige Herberge der Herren von Stetten denkmalgeschützt, weshalb hier besondere Richtlinien und Verordnungen gelten. Es erstreckt sich über sieben Räume, eine überdachte Terrasse und insgesamt 160 Plätze. Die oberen Etagen bieten Platz für Büro- und Personalräume, unterhalb des Restaurants versteckt sich ein Gewölbekeller, der noch aus- und umgebaut werden soll. Dazu gehobene Gastronomie, rund 30 Mitarbeiter*innen und – nicht zu vergessen – die angrenzende, mehrfach ausgezeichnete Landmetzgerei. Wir haben uns mit Ilka getroffen, sie als quirlige, starke Person kennengelernt und erfahren, wie sie all das wuppt.

Liebe Ilka, erzähl uns zu Beginn doch gerne einmal, wer hinter dem Restaurant Zum Ochsen steckt.

Hinter unserem Restaurant stehen in erster Linie mein Partner Daniel, ich und unser Team. Daniel ist in der Nähe von Leipzig aufgewachsen und hat BWL studiert. Ich hingegen komme aus dem beschaulichen Remstal, habe in Heidelberg studiert und einige Jahre als Kunsthistorikerin und freie Kuratorin gearbeitet. Früher waren meine Eltern und ich selbst oft im Ochsen zu Gast. Damals wurde das Restaurant noch von der Vorgängerfamilie Schlegel geführt, war für seine urschwäbischen Gerichte bekannt und eher kein Ort, an dem ich mich freiwillig mit meinen Freundinnen getroffen hätte. 

Wie kam es denn dann zu der Idee, das Restaurant Zum Ochsen zu übernehmen, obwohl sowohl Daniel als auch du zuvor etwas vollkommen anderes gemacht haben?

Nachdem Familie Schlegel die Geschichte vom Ochsen über 105 Jahre geprägt hat, kam mein Vater, der Architekt ist und großen Gefallen an denkmalgeschützten Gebäuden hat, zufällig mit Rolf Schlegel ins Gespräch. Weil er sich ohnehin nach und nach aus dem Geschäft zurückziehen wollte, hat mein Vater den Ochsen gekauft. Daniel und ich sind schon immer sehr gastrointeressiert und -affin gewesen. Daniel beispielsweise stand im Laufe seiner Karriere mehreren gastronomischen Betrieben beratend zur Seite. 2017 haben wir den Entschluss gefasst, das Restaurant zu übernehmen und uns selbst zu verwirklichen.

Was ist für euch beide das Besondere an diesem Sektor? 

Das Faszinierende an der Gastro ist für uns vor allen Dingen, dass man Menschen schöne Momente bescheren kann, an die sie sich noch lange nach dem Restaurantbesuch mit einem Lächeln auf den Lippen zurückerinnern werden. Essen gehen war für mich außerdem schon immer eine Insel zum Abschalten – Genau danach sehnen wir uns in der sich immer schneller drehenden digitalen Welt doch!

Hattet ihr zu Beginn schon eine konkrete Vorstellung davon, was ihr im Ochsen verändern wollt?

Statt kulturell und kulinarisch alles genau so zu machen wie die Vorbesitzer*innen, wollten Daniel und ich die eingestaubten Traditionen neu denken. So haben wir beispielsweise die Speisekarte weiterentwickelt und der traditionell schwäbischen Küche Einflüsse aus verschiedenen Teilen der Erde eingehaucht. Unser Wunsch war und ist nach wie vor, dass sich im Ochsen jede*r wohl und abgeholt fühlt. Während die Zielgruppe früher eher bei den Ü70- bis 90-Jährigen lag, spricht das heutige Konzept auch junge Leute an. Wir wollen einen Ort des Zusammenkommens schaffen und die Lücke zwischen Alt und Jung schließen. Um das zu erreichen, haben wir viel Arbeit in Renovierungs- und Umbauarbeiten gesteckt – tun es ehrlich gesagt bis heute.

Das klingt nach einer Menge Arbeit…

Das ist es auch – gar keine Frage! Insbesondere, weil wir damit gerade am Anfang auf viel Gegenwehr und Ablehnung gestoßen sind. Zwei Menschen, die nicht direkt aus der Gastro kommen und eine außergewöhnliche Vision verfolgen; dann auch noch eine Frau mit einem eher unkonventionellen Kleidungsstil als Führungskraft und das alles in einem kleinen Ort, wo jede*r jede*n kennt und ohnehin viel getuschelt wird. Das war nicht immer einfach!

Was hat dir die Kraft gegeben, nicht einfach hinzuschmeißen, sondern eure Vision weiter zu verfolgen?

Abgesehen vom Rückhalt meiner Familie, meines Partners und unseres Teams, war es vor allen Dingen mein Glaube an die Zukunft. Ich wusste, dass es sich lohnen wird und wollte es den Menschen, die überzeugt waren, wir würden das nicht schaffen, beweisen. Letztendlich hat mich diese Zeit nur stärker gemacht. Heute weiß ich deshalb, dass mich so schnell nichts mehr umhauen kann. 

Was würdest du (jungen) Frauen, die ihr eigenes Ding machen wollen, aber Angst vor Reaktionen, wie auch du sie erlebt hast, gerne mitgeben?

Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt! Meiner Meinung nach dürfen wir das System nicht bemängeln, solange wir nicht auf irgendeine Art und Weise dazu beitragen, dass sich das System verändern kann. Natürlich ist es manchmal frustrierend, in einem Patriarchat zu leben und als Frau immer wieder anzuecken oder Rückschläge zu erleben. Allerdings müssen wir aufstehen, um die Gesellschaft daran zu erinnern, dass wir noch lange nicht am Ziel sind.

Du hast vom Ochsen als „Ort des Zusammenkommens“ gesprochen. Wie sieht dieses Zusammenkommen konkret aus?

Zum einen stehen unsere Türen von Mittwoch bis Sonntag für alle offen. Zusätzlich lade ich in regelmäßigen Abständen Menschen, die etwas zu sagen haben, ins Ochsen ein. So hatten wir erst kürzlich DJ-Newcomerin Kiti Arsa oder Schriftstellerin Mirna Funk zu Gast. Außerdem richten wir regelmäßig Konzerte mit Größen wie den Soul Diamonds oder Max Greger Jr. aus. Zudem können unsere Räumlichkeiten für Feiern jeder Art gemietet werden und selbstverständlich findet einmal im Jahr das legendäre Ochsenfest sowie der Sommernachtstraum statt, an dem wir unsere Gäste mit einem exklusiven 5-Gänge-Menü verwöhnen. 

Apropos Menü: Kannst du uns noch etwas über eure Speisekarte verraten? Worauf legt ihr Wert?

Die Speisen bestehen aus überwiegend regionalen Zutaten, kommen ohne Zusatzstoffe aus und spiegeln unsere Vision wider: Tradition und Gegenwart dürfen miteinander verschmelzen. Auf der Karte stehen sowohl moderne Gerichte wie hausgemachte Tortellini mit Sauerampfersauce als auch Klassiker wie der Zwiebelrostbraten oder die hausgemachten Maultaschen, die zu den besten Stuttgarts gezählt werden. Was sie ausmacht, sind eine besondere Gewürzmischung, guter Spinat, aber auch die hochwertigen Fleischstücke. Normalerweise wird in Maultaschen Fleisch verarbeitet, das „übrig geblieben“ ist. Im Ochsen hingegen wird ausgewähltes Fleisch genutzt. Außerdem werden unsere Maultaschen von Hand gerollt und im Kochschrank gegart. 

Lass uns noch einen Blick in die Zukunft werfen: Worauf dürfen wir uns freuen? Wo siehst du das Restaurant Zum Ochsen in fünf Jahren?

Das Best-Case-Szenario sieht so aus: Das Restaurant liegt knapp unter oder auf Sterneniveau. Unsere hauseigene Metzgerei wird für ihre qualitativ hochwertigen Produkte stetig weiterempfohlen. In den oberen Etagen könnten Wohnraum geschaffen oder Co-Working bzw. Creative Spaces installiert werden. Um unser kulturelles Angebot weiterzuentwickeln, möchten wir zudem Coachings von Externen anbieten. Die untere Etage wird in eine extravagante Cocktailbar verwandelt, die weit über die Grenzen des Remstals hinaus bekannt ist. Im urigen Gewölbekeller können unsere Gäste feine Drinks genießen, eine gute Zeit haben und einen Abend lang in eine andere Welt abtauchen.

Es war uns eine Freude, liebe Ilka! Wir freuen uns jetzt schon auf die nächsten Jahre im Restaurant Zum Ochsen und werden euch auf dem Laufenden halten.

Zum Ochsen – Restaurant
Kirchstr. 15
71394 Kernen i.R.

Öffnungszeiten Metzgerei:
Mi 8-13 Uhr, Do-Fr 8-14 und 16-19 Uhr, Sa 8-13 Uhr sowie durchgehend am Automaten oder online

Öffnungszeiten Restaurant: 
Mi-So 17:30 – 23 Uhr (Küche bis 20:30 Uhr) 

MEHR INFOS:
https://ochsen-kernen.de