„LIEBE WIRD IMMER GEWINNEN“
Seit 1979 setzt sich die Stuttgart PRIDE im Rahmen der Kulturwochen zum Christopher Street Day für die Rechte und Sichtbarkeit der LGBTQIA+ Gemeinschaft in Stuttgart und der Region ein. Dabei wird ein starkes Zeichen für die Vielfalt, Akzeptanz, Gleichberechtigung und Sichtbarkeit von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, transsexuellen, intersexuellen und queeren Menschen gesetzt.
Wir haben uns mit Lisa Strelkowa von den LGBTQJews getroffen, um über die Bedeutung von Pride zu sprechen und einen Einblick in ihre Arbeit und ihr Engagement zu bekommen.
Hey Lisa, kannst du dich zu Beginn bitte kurz vorstellen?
Ich bin Yelizaveta Strelkowa und werde Lisa genannt, bin 23 Jahre alt und komme ursprünglich aus der Ukraine. Ich studiere Psychotherapie an der Universität Ulm und engagiere mich bei den LGBTJews.
Seit wann bist du bei den LGBTJews Stuttgart aktiv? Und gehört ihr auch zu der gemeinnützigen Organisation IG CSD Stuttgart e.V., die jedes Jahr die Stuttgart Pride organisiert?
Als LGBTJews haben wir uns erst in diesem Jahr als Gruppe gegründet, da wir als eine Mischung aus unterschiedlichen jüdischen Gruppierungen jenseits des IG CSD Stuttgart e.V. entstanden sind. In der jüdischen Community engagiere ich mich seit etwa 10 Jahren, beispielsweise in der jüdischen Jugendarbeit.
Für was setzt du dich dabei konkret ein?
Ich setze mich für Personen ein, die Teil der LGBTQIA+ Community sind und dazu einen Migrationshintergrund haben. Genau diese Personen sind häufig Ablehnung und Kritik von vielen verschiedenen Seiten ausgesetzt, nicht zu sprechen von den besorgniserregenden politischen Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die diese Menschen am meisten betreffen. Ich setze mich konkret dafür ein, dass Menschen mit Migrationsgeschichte und queerem Hintergrund in Deutschland sicher leben können, frei von Vorurteilen, Gewalt oder Ablehnung.
Die CSD-Kulturwochen „Stuttgart Pride“ finden vom 12. bis 28. Juli 2024 statt. Was bedeutet Pride persönlich für dich?
Pride bedeutet für mich persönlich nicht nur Stolz, sondern auch Akzeptanz – Akzeptanz seiner selbst und der Menschen um sich herum. Jede Person in der Community hat ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Herausforderungen im Zusammenhang mit ihrer Umwelt. Und jede einzelne Person aus der Community darf stolz darauf sein, dass sie sich diesen Herausforderungen jeden Tag stellt und trotz dieser nach vorne blickt und weitermacht.
Und wann bist du das erste Mal bei einer CSD-Demonstration mitgelaufen?
Das erste Mal, dass ich bei der CSD-Demonstration in Stuttgart nicht nur Zuschauerin, sondern auch Teilnehmerin war, war bei der Stuttgart PRIDE 2023. Dort bin ich, damals noch mit einer anderen jüdischen Gruppe, gemeinsam mit der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg und dem Liberal-Islamischen Bund in einer Allianz gelaufen, wofür wir von der IG CSD Stuttgart e.V. sogar den Preis für die beste Formation erhalten haben.
Was können wir dieses Jahr erwarten?
Das diesjährige Motto der Pride Parade lautet: “Vielfalt leben. Jetzt erst recht!” – ein Aufruf, für unsere Werte einzustehen und für unsere Rechte zu kämpfen, mit noch mehr Entschlossenheit und Leidenschaft als je zuvor. Wir lassen uns nicht entmutigen, wir lassen uns nicht spalten – im Gegenteil, wir treten vereint und standhaft für unsere Überzeugungen ein. Das möchten wir bei der diesjährigen PRIDE ganz besonders in den Fokus rücken.
Du bist dieses Jahr nicht nur Teil der CSD-Demonstration, sondern auch eine der drei Schirmpersonen. Kannst du kurz erklären, was eine Schirmperson ist und welche(s) Zeichen ihr setzen wollt.
Wir als Schirmpersonen geben der PRIDE ein Gesicht und vertreten sie auf verschiedenen Veranstaltungen, sozusagen als Botschafter*innen. Gemeinsam mit meinen Kollegen Atahan Demirel aus der Queer Muslimischen Allianz Deutschland und Olcay Miyanyedi von der Türkischen Gemeinde Baden-Württemberg zeigen wir, dass Zusammenhalt und Solidarität keine Grenzen kennen und dass Herkunft und Religion keine Barrieren sind, sondern Quellen der Stärke und Einheit.
Wie bereitet ihr euch das Jahr über auf die Stuttgart Pride vor?
Da wir alle drei Schirmpersonen aus unterschiedlichen Gruppierungen kommen, die auch dieses Jahr als eine Allianz bei der Stuttgart PRIDE zusammen auftreten, befinden sich die Planungen für die Formation auf Hochtouren. Das bedeutet zum Beispiel, organisatorische und sicherheitsbezogene Vorbereitungen für die Demonstration und die anschließende Hocketse zu treffen. Nicht zu vergessen ist jedoch auch unsere riesige Vorfreude auf die PRIDE, die mit jedem weiteren Tag steigt.
Sich für die LGBTQIA+ – Community einzusetzen ist natürlich nicht nur in den Kulturwochen wichtig. Wie seid ihr ansonsten aktiv?
Unsere Gruppierung hat die Besonderheit, dass sie sich nicht nur für die queere, sondern auch für die jüdische Community in Deutschland einsetzt. Das bedeutet politische Bildungs- und Aufklärungsarbeit, in und außerhalb der jüdischen Community. Ein intersektionaler, interreligiöser Ansatz ist uns dabei wichtig, sodass wir nicht nur einen Safe Space für jüdische, queere Menschen in der Region sind, sondern auch mit Gruppierungen anderer Religionen und Kulturen zusammenarbeiten, um Antisemitismus und jegliche Art von Feindlichkeit in unserer Gesellschaft zu bekämpfen.
Wie nimmst du Stuttgart wahr? Ist das ein Ort, an dem sich queere Menschen wohlfühlen können?
Da ich bis zum jungen Erwachsenenalter in einer Kleinstadt aufgewachsen bin, wirkt Stuttgart im Vergleich dazu wie ein queeres Paradies für mich. Die Vielfalt der queeren Community, die unterschiedlichen Gruppierungen mit ihren jeweiligen Schwerpunkten, all die einzigartigen Nischen innerhalb der Stuttgarter Community und trotz dessen die unglaubliche Offenheit, die die Stuttgarter Queers an den Tag legen, sind etwas, was mich jedes Mal aufs Neue fasziniert. Klar gibt es auch in Stuttgart noch viel zu tun, denn auch innerhalb der Community sind wir in manchen Themen und Meinungen gespalten. Aber trotz unserer Verschiedenheiten darf und muss man all das Großartige, was die queere Community in Stuttgart bereits aufgebaut hat, mit Stolz und Anerkennung gebührend feiern.
Welche Botschaft möchtest du insbesondere an junge LGBTQIA+ -Menschen senden?
Meine wichtigste Botschaft an junge LGBTQIA+ -Menschen: Ihr seid nicht allein! Auch wenn es sich oft so anfühlt, als wäre man selbst die einzige Gruppe, die für die eigenen Rechte kämpft, stehen so viele Menschen und Allies in Deutschland und in Europa hinter euch. Die laute, hasserfüllte Minderheit ist vielleicht laut – aber wir sind stärker.
Magst du uns abschließend vielleicht noch dein Lebensmotto verraten?
Liebe wird immer gewinnen, egal was kommen mag.
Alle Infos zum GEHEIMTIPP STUTTGART Magazin findet ihr unter https://geheimtippstuttgart.de/magazin