„Theater? Das ist doch nur was für alte Leute!“ Dieser hartnäckige Irrglaube ist unter jungen Menschen heute leider noch immer weit verbreitet. Ganz überraschend ist das natürlich nicht, denn bei Theater haben viele das traditionelle Bild von altmodischen Stufensälen, roten Vorhängen und eintönigen Aufführungen vor Augen.
Dass Theater aber auch ganz anders geht, beweisen die Künstler*innen Wilhelm Schneck und Kathrin Hildebrand mit ihrem Konzept „LOKSTOFF! Theater im öffentlichen Raum“. Seit nunmehr fast 20 Jahren sind die beiden für die künstlerische Leitung des 2003 gegründeten, gemeinnützigen Vereins zuständig. Die Idee: Ein gesellschaftlich engagiertes Theater, das zur Bewährung und Stärkung des öffentlichen Raums beitragen soll.
Um diese Vision zu verwirklichen, bringt LOKSTOFF! das Theater vom geschlossenen Saal auf die Straße und verwandelt Orte des öffentlichen Lebens in eine Bühne für moderne Schauspielkunst. Thematisch setzen sich die Stücke mit den Gefahren der Entfremdung für Menschen in einer urbanen Gesellschaft auseinander: Entfremdung von der eigenen Arbeit, dem öffentlichen Raum und zuletzt auch voneinander. LOKSTOFF! spielt demnach nicht nur im und für, sondern auch über den öffentlichen Raum.
Hinter dem Vorhang ist vor dem Vorhang: Sowohl Proben als auch Vorstellung finden an alltäglichen Orten wie Straßenecken, Einkaufszentren, S-Bahn-Haltestellen, Imbissbuden und Geschäften statt. So werden auch theaterscheue Menschen auf die Ausstellungen aufmerksam – und insbesondere junge Menschen durch die unkonventionellen Spielorte und die direkte Interaktion angesprochen.
Indem Plätze des öffentlichen Lebens mit der Magie des Theaters verschmelzen, soll den Menschen die Bedeutung solcher Orte als Teil einer urbanen Gesellschaft ins Gedächtnis gerufen werden. Für die Inszenierungen werden daher gezielt Begegnungsorte gewählt, an denen Architektur und Infrastruktur einen Raum geschaffen haben, in dem Menschen aufeinandertreffen. Für LOKSTOFF! ist der Schauplatz weit mehr als nur Hintergrundkulisse: Er diktiert den Charakter des Stücks, schreibt das Drehbuch mit und ist daher ebenso Teil der Inszenierung wie das Stück selbst.
Für das freiberufliche Team aus Schauspieler*innen, Regisseur*innen, bildenden Künstler*innen, Architekt*innen, Grafiker*innen und anderen Kreativschaffenden steht dabei vor allem eines im Mittelpunkt: Die Idee eines Theaters, das den öffentlichen Raum poetisiert und für alle Menschen zugänglich ist. Insgesamt 26 Produktionen, durch die mehr als 160.000 Zuschauer*innen erreicht werden konnten, wurden seit 2003 von LOKSTOFF! auf die Beine gestellt. Nachhaltigkeit spielt dabei eine mindestens genauso bedeutende Rolle wie das Prinzip der Inklusion: Seit 2004 bietet LOKSTOFF! speziell konzipierte Vorstellungen für Blinde an und setzt sich darüber hinaus intensiv für interkulturelles Verständnis und die Integration von (jungen) Geflüchteten ein. Für seine Arbeit wurde der Verein in den vergangenen Jahren bereits mehrfach mit verschiedensten Preisen ausgezeichnet. Seit 2018 wird LOKSTOFF! zudem institutionell von der Stadt Stuttgart gefördert.
Auch in der Spielzeit 2022/23 geht LOKSTOFF! mit erstklassigen Produktionen an den Start.
So greift das Satire-Theaterstück „LessHome: Wohnst du noch oder teilst du schon.“ die katastrophalen Zustände auf dem regionalen und nationalen Wohnungsmarkt auf. In einer Zeit, in der die Mitpreise ins Unermessliche steigen und so manche*r Normalverdiener*in um sein*ihr Zuhause bangt, lautet das neue Motto: „LessHome statt Homeless!“. Im Rahmen der rund 90-minütigen Aufführungen im Showroom von Behr Einrichtungen lädt das Heimatministerium zur großen Auftaktveranstaltung von LessHome ein illustres Fachpublikum ins Möbelhaus ein. Sie alle schauen zu, wie sich die Bewerber mit ihren wenigen Habseligkeiten im Showroom häuslich eingerichtet haben, wie sie das neue Zeit- und Raummodell leben.
Mit LessHome macht Lokstoff! auf humoristische, clevere Art und Weise auf das dringliche Thema Wohnungsnot aufmerksam. Karten gibt es derzeit noch für den 2. und 3. Februar sowie den 16. und 17. März 2023.
Ebenso unterhaltsam wird es auch bei der Neuproduktion „Gestern.Morgen.Heute. – Was soll bleiben?“. Hierfür geht es ins Mietlager „MyPlace“ in der Pragstraße, in dem Privatpersonen persönliche Gegenstände lagern können. Hier, zwischen verstaubten Büchern, alten Fotos und Geistern der Vergangenheit, setzt sich das LOKSTOFF!-Ensemble mit dem Thema Erben auseinander – mit den Geschichten hinter den Gegenständen und der Frage, was am Schluss von uns bleibt.
Live erleben könnt ihr diese vielschichte Inszenierung noch am 17. und 18. Februar 2023. Aufgrund der großen Nachfrage gibt es einen Zusatztermin am 29. Januar. Weitere Termine sind in Vorbereitung.
LOKSTOFF! hat auch wieder das Erfolgsstück „Sofies Mind*Truck – ImBiss der Wahrheit“ auf dem Spielplan: am 10. und 11. Februar in der Garage 229 in Stuttgart-Ost. Sofies Mind*Truck bietet eine „Triät“ der besonderen Art: aufrüttelnd, humorvoll und ganz entscheidend für unsere gemeinsame Wirklichkeit. Rund um einen Imbisswagen geht es dabei weniger um kulinarische Finessen als um die dramatische Auseinandersetzung mit den spaltenden Tendenzen in unserer Gesellschaft. Doch was könnte verbindender sein als eine gemeinsame Mahlzeit?
Wir sagen nur noch: Bühne frei!
Lokstoff ist großartig, gute Themen, magische Bilder, tolle Schauspieler, super Inszenierunen und “Bühnenbilder” – immer eine Theaterreise wert.