OBERWELT – KUNSCHT IN ALLEN FACETTEN

Seit wir unser Headquarter in der Reinsburgstraße bezogen haben, fragen wir uns, warum sich freitagabends so viele Leute vor dem nur ein paar Häuser entfernt gelegenen Showroom mit der Aufschrift „Oberwelt“ versammeln und was sich dahinter eigentlich genau verbirgt.

Nun haben wir bei unseren Nachbarn in der Reinsburgstraße 93 mal nachgefragt und so einen echten Geheimtipp entdeckt, bei dem regelmäßig Künstler*innen aus aller Welt ein und aus gehen.

Marvin Flores Ungers Ausstellung “Post Motor City S” im November 2022

Bereits seit 1978 werden in der Oberwelt im Stuttgarter Westen neben Ausstellungen, Lesungen und Vorträgen auch Events im Bereich Bildende Kunst und Performance geboten. Dabei reicht das Spektrum von gegenwärtigen Kunst- und Präsentations- bis hin zu künstlerischen Aktions- und Existenzformen.

Besonders daran: Das gesamte Programm und die Vernissagen werden von einem kleinen Kreis an aktiven Ehrenamtlichen gestemmt. Anfangs hatten Künstler*innen und Kunstfreund*innen den Raum angemietet, um Ausstellungen zu veranstalten und sich hierüber öffentlich auszutauschen. „Und so ist das auch bis heute geblieben“, erzählt Oberwelt-Mitglied Peter Haury. Mittlerweile verfügt der Kunstverein insgesamt über 86 Mitglieder. Das Team der Oberwelt e.V. ist aber nicht nur als Programmveranstalter tätig, sondern produziert auch eigene kollektive Arbeiten.

Aktionen in Grenzbereichen

Seit Jahrzehnten engagieren sich diese nun schon für Kunst und realisieren hierbei unter anderem auch Ungewöhnliches sowie Aktionen in Grenzbereichen. So konnte der Verein vor einigen Jahren beispielsweise im Vorfeld der Stuttgarter Museumsnacht in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ayumi Matsuzaka 16 Haushalte dazu motivieren, über sechs Wochen hinweg ihre körpereigenen Nährstoffe zu sammeln. „Dabei haben wir die Teilnehmenden mit verschließbaren Eimern und einem Kohle-Mikroben-Granulat, welches alle Geruchsentwicklung verhinderte, ausgestattet“, berichtet uns Peter. 

Zudem wurde an der Museumsnacht selbst eine Spendenlandschaft mit Kabinen sowie ein Buffet aufgebaut. 53 Leute konnten hierdurch zusätzlich dazu bewegt werden, Spenden abzugeben. Diese wurden dann innerhalb eines Jahres mit Hilfe von speziellen Kompostregenwürmern fermentiert. Im Anschluss daran erhielten alle Spender*innen einen Topf mit einer Duftgeranie, die auf ihrem eigenen Nährstoff gewachsen war.

Abwechslungsreiches Programm

Bis Ende des letzten Jahres konntet ihr in der Oberwelt SPLITTER von Julia Wenz-Delaminsky mit Christian Eickhoff bestaunen. Zugrunde liegende Idee war hier das Bruchstückhafte. Die audio-visuelle Installation bestand aus gefundenen Objekten, Lautsprechern und Lichtquellen. Ausgehend von einer Leuchtstoffröhre mit Zündschwierigkeiten entwickelte sich über die im Raum verteilten Lautsprecher eine mehrkanalige Klangperformance. Sound, Licht und Objekte interagierten und spielten zusammen. 

Aus der Ausstellung “SPLITTER”

Auch in 2023 sind weitere spannende Aktionen und Ausstellungen in der Oberwelt geplant!

Im Januar konntet ihr beispielsweise bereits Thilo Kuhns „Scheinklang“ bestaunen. Dabei handelte es sich um eine experimentelle Klanginstallation, in welcher mit Hilfe eines sich teils chaotisch und teils kontrolliert bewegenden optomechanischen Systems, zufällige sowie sich wiederholende Klangfolgen erzeugt wurden.

Im Februar wird Benedikt Waldmann seine künstlerischen Arbeiten unter dem Titel „Anthroturbo“ präsentieren. Hierbei stehen Materialismus, Gesellschaftspolitik und das Unbehagen vor einer zunehmend dunkel erscheinenden Zukunft im Mittelpunkt. Nicht ohne Humor und auf den ersten Blick oft absurd anmutend, verfremdet und rekombiniert der junge Künstler in diesem Zusammenhang Gegenstände, mit denen wir täglich konfrontiert sind.

Im März ist dann Christine Koschel mit ihrer Lecture Performance „eating together in silence“ zu Gast in der Oberwelt. Die Künstlerin setzt sich darin mit dem Modellhaften der Tischgesellschaft auseinander und führt ihrem Publikum dabei unter anderem das politische Potenzial der kollektiven Essenseinnahme vor Augen.

An vielen Freitagabenden finden die Vernissagen in der Oberwelt statt. Deshalb bildet sich vor dem Showroom immer eine kleine Traube von Besucher*innen. Vorbeischauen lohnt sich jedoch nicht nur an Freitagabenden.
MEHR INFOS: 
www.oberwelt.de