THOMAS DIEHL

JUNGWINZER AUS LEIDENSCHAFT

Das schwäbische Weingut Diehl kann auf eine lange Geschichte voller Rebensaft zurückblicken und feiert in diesem Jahr 50-jähriges Jubiläum. Mit Thomas Diehl, der das Familienweingut vor Kurzem übernommen hat, startet das Traditionsunternehmen nun in die dritte Generation.

Der 30-jährige Thomas Diehl ist in Stuttgart geboren und aufgewachsen – um genau zu sein in Rotenberg, unterhalb der Grabkapelle. Nachdem er sein Abitur an der Internatsschule Schloss Salem abgeschlossen hatte, zog es Thomas für ein Gap Year auf Weingüter in Bordeaux, Neuseeland und Südafrika. Bevor er zum Jungwinzer wurde, studierte er zunächst an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen Sociology, Politics & Economics. Nach Zwischenstopps bei Rocket Internet und der Digital- und Kommunikationsagentur RCKT in Berlin sowie dem Familienunternehmen TRUMPF in Ditzingen und Vietnam, führt er heute gemeinsam mit seinen Eltern das Weingut Diehl als geschäftsführender Gesellschafter.

Im Herbst startet der Jungwinzer mit seiner eigenen Laube auf dem Stuttgarter Weindorf durch. Die Idee der STADT LAUBE hatte Thomas schon lange im Hinterkopf. Mit der Familie Weller, der Traditionsmetzgerei aus dem Stuttgarter Westen, und der Familie Grupp, die enorme Weindorf-Erfahrung mitbringt, hat er zwei verlässliche Partner gefunden, um sein Projekt in diesem Jahr endlich umzusetzen. Wir haben den sympathischen Schwaben getroffen, um mit ihm über Wein, Stuttgart und die Welt zu plaudern.

Du führst das Weingut Diehl in dritter Generation. Hast du schon immer gewusst, dass du in die Fußstapfen deiner Eltern und Großeltern treten möchtest?

Ich habe keine Geschwister, daher bin ich in dem Bewusstsein groß geworden, dass ich der einzige potenzielle Nachfolger bin. Wie man an meinem Werdegang sieht, habe ich jedoch zunächst einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Erst die Distanz zum Weingut hat mich entdecken lassen, welch grandiose Möglichkeiten mir das Unternehmen bietet.

Bevor du dich dem Familienunternehmen angenommen hast, bist du viel gereist. Was hast du in dieser Zeit über dich und das Leben gelernt?

Ich habe vor allem gelernt, wie privilegiert wir sind. Während meiner Schulzeit war ich in Indien und Peru. Dort habe ich erfahren, mit wie wenig man zufrieden und glücklich sein kann. Die Menschen dort haben sehr wenig und teilen es trotzdem. Während meiner Zeit in Vietnam habe ich gemerkt, dass es wichtig ist, ein Ziel zu haben und dieses zu verfolgen. Der Fleiß und der Wille, etwas zu bewegen und voranzubringen, hat unter anderem dazu geführt, dass ich heute das Weingut führe. Reisen bedeutet für mich, neue Denk- und Sichtweisen kennenzulernen. Denn nur wer einen Horizont hat, kann auch über diesen hinausdenken – und schauen.

Was hast du in dieser Zeit an deiner Heimat vermisst? Was wiederum fehlt dir in Stuttgart manchmal?

Gerade während meiner Zeit in Südostasien habe ich die Ruhe vermisst. Einfach gemütlich durch die weitläufigen Weinberge laufen. Und das Erste, was ich gemacht habe, als ich wieder in Stuttgart war: Ich habe mir eine Laugenbrezel gekaut. Stuttgart ist meinem Empfinden nach auf der stetigen Suche nach sich selbst. Wir sind jedoch nicht Berlin, Frankfurt, Hamburg oder München. Es fehlt manchmal der Stolz, Schwabe zu sein. Aber es freut mich zu sehen, dass diesbezüglich eine positive Entwicklung stattfindet und gehe gerne mit gutem Beispiel voran.

Du hast unter anderem auf Weingütern in Neuseeland gearbeitet. Was unterscheidet die Arbeit dort vom Weinanbau in Deutschland?

Ich war in Neuseeland auf dem Hans Herzog Estate. Dort herrscht ein ganz anderes Bewusstsein für die Themen Genuss und Lebensqualität. Die Wertschätzung für Umwelt und Lebensmittel im Allgemeinen ist viel höher. Ein gutes Beispiel ist die Weinlese dort: Man beginnt morgens mit Cappuccino und Croissant, sitzt mittags gemeinsam beim Essen und trinkt die Rebsorte, die gerade geerntet wurde. Stuttgart zeichnet sich hingegen durch eine hohe Dichte an sich selbst vermarktenden Privatweingütern und Winzergenossenschaften aus. Das Konkurrenzdenken- und verhalten ist viel stärker ausgeprägt. Aus meiner Sicht muss hier ein Umdenken stattfinden, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Region zu erhalten.

Wie hast du „frischen Wind“ in das Familienunternehmen gebracht?

Ich habe ein neues Corporate Design entwickelt und die Unternehmensstruktur umgebaut. Die Prozesse in der Vermarktung, in der Kellerwirtschaft und im Weinberg wurden digitalisiert und wir haben eine neue Website mit Onlineshop aufgebaut. Bei all den Veränderungen möchte ich gleichzeitig die Tradition meines Großvaters beibehalten und diese mit seinen Werten Mut, Begeisterung und Bescheidenheit vereinen. Er war ein pragmatischer Mann mit dem Streben, das Gute zu bewahren und dennoch stets Pionier zu sein.

Das Logo des Weinguts zeigt einen Vogel. Was hat es damit auf sich?

Das ist unser Wiedehopf, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland ein weit verbreiteter Brutvogel war. Seit 2018 wird er – wie ich – wieder in der Region Stuttgart gesichtet und ist somit gleichzeitig mit mir in die Heimat zurückgekehrt. Der Wiedehopf bildet mit den Horizontlinien, die unsere Anbaulagen rund um den Wirtemberg darstellen, das Signet unseres Corporate Designs. Wir leiten daraus unseren Claim „Global vernetzt, regional verwurzelt – in der Welt zu Hause, in Stuttgart daheim“ ab.

Welchen Wein trinkst du in der warmen Jahreszeit am liebsten?

Einen trockenen Weißwein, am liebsten einen Weißburgunder – in diesem Jahr auch gerne Rosé. Wenn es wirklich warm ist, dann trinke ich auch gerne mal eine Weinschorle. Ich freue mich bereits sehr darauf, den Stuttgarter*innen auf dem Weindorf das ein oder andere Gläschen ausschenken zu dürfen und gemeinsam mit ihnen anzustoßen. 

Wo trifft man dich in Stuttgart zum Feiern und zum Essen?

Ich bin gerne draußen unterwegs, zum Beispiel in den lokalen Besenwirtschaften rund um unser Weingut. Mein persönlicher Favorit in Stuttgart ist das Knausbira Stüble, das von der Familie Schallmeir betrieben wird. Während meiner Schul- und Studienzeit außerhalb von Stuttgart war das immer meine erste Station, wenn ich nach Hause gekommen bin. Dort gibt es schwäbische Küche modern interpretiert. An einem typischen Samstag findet man mich, nach einem Rundgang durch die Markthalle und einem kurzen Besuch bei Merz & Benzing, im SITT – Ich mag das Konzept, sich durch viele verschiedene Weine zu trinken. Anschließend lasse ich den Abend im Jigger & Spoon ausklingen.

Was sind deine nächsten großen Ziele oder Pläne?

Wir werden zu Beginn des Stuttgarter Weindorfs meine neue Weinmarke DROP präsentieren. Außerdem arbeite ich gemeinsam mit meinem ehemaligen Chef von Rocket Internet an einem entalkoholisierten, aromatisierten Weingetränk, das den Trend zum bewussten Konsum aufgreift.

MEHR INFOS:
https://weingut-diehl.com
https://stadt-laube.de