BONHEUR

Die Indie-Musikszene Stuttgarts erfährt eine aufregende Erneuerung durch die Band BONHEUR, ehemals bekannt als Into The Fray. Die Band bewegt sich musikalisch zwischen Radiohead, Phoebe Bridgers, Grizzly Bear und Klangstof und besteht aus Lukas Klotzbach, Fabian Glück, Marian Hepp und Bastian Kilper.

Wir haben die Stuttgarter Jungs zum Interview getroffen und einiges über die inhaltliche Neuausrichtung erfahren. 

Was hat euch dazu bewegt, euren Bandnamen zu ändern und wie spiegelt sich dieser Wandel in eurer Musik wider?

Basti: Als Into The Fray war unsere Musik deutlich melancholischer, langatmiger und post-rockiger. In den letzten Jahren haben wir uns als Band, aber auch als Menschen verändert: Erfahrungen, Eindrücke und Dinge, die uns wichtig sind. Das zeigt sich auch in der Musik – die neuen Songs sind greifbarer, näher an uns dran und auch etwas grooviger als die alten Songs. Quasi eine neue Band und deshalb auch der neue Name Bonheur.

Wie kam es zur Gründung eurer Band im Jahr 2016? 

Lukas: Tatsächlich war Into The Fray zuerst als Solo-Projekt geplant. Ich hatte damals Lust, als Ausgleich zu meiner damaligen Band, ein Indie-Folk Solo Projekt zu gründen. Dazu kam es dann vor allem, weil beim Dit is Schade-Festival in Sindelfingen in unserem damaligen Jugendhaus noch ein Slot frei war und ich dann einfach dort die ersten noch sehr roughen Ideen spielen durfte. Daraufhin entwickelte sich das ganze Projekt über einen langen Zeitraum doch wieder zu einer Band in mehreren verschiedenen Konstellationen, bis wir schließlich 2018 zu unserer aktuellen Band Formation gefunden haben und seitdem zusammen Musik machen.

Wie hat sich euer Sound und Songwriting seitdem weiterentwickelt?

Basti: Die alten Songs entstanden meistens aus einem Gitarren-Riff. Bei den neuen Songs hat jeder seine Ideen eingebracht: eine Bass-Melodie, ein Drum-Loop oder ein Synthesizer-Sound. Oder wir haben einfach spontan zusammen im Proberaum gejammt. Wir haben einfach ausprobiert, ohne einen konkreten Plan, aber mit der Vision, die Songs von Anfang bis Ende gemeinsam als Band zu gestalten. Die einzelnen Songs bekommen dadurch ganz unterschiedliche Vibes und klingen irgendwie einfach abwechslungsreicher als die alten Sachen.

Wie entstehen eure Songs? Was ist das für ein Prozess? Und womit fängt er an – mit einem Gefühl, einem Text oder einer Melodie? 

Lukas: Wie Basti bereits erwähnt hat, entstehen die Songs sehr unterschiedlich. Teilweise hab ich daheim auf einen Drum Loop von Basti gejammt oder von Mari (Bassist der Band) gab es eine Demo, die wir zerpflückt und neu interpretiert haben, bis wir dann im Endeffekt alle Demos zusammen in einem abgelegenen Dorf auf der Schwäbischen Alb eine Woche lang zusammen arranged und neu interpretiert haben. Generell kann man aber schon grob sagen, dass eigentlich zuerst ein Gefühl da ist und eine grobe Melodie. Die Texte schreibe ich tatsächlich als letztes, auch wenn ich bereits ein paar Phrasen und Textfetzen im Kopf zu den jeweiligen Demos zugeordnet habe.

Gab es Momente im Laufe eurer Karriere, die für euch besonders intensiv waren (z.B. ein Konzert oder ein Release)?

Basti: Eine der krassesten Zeiten war auf jeden Fall die Produktion unseres Albums im Studio. Normalerweise sind Bands gezwungen, alle Songs bis ins Detail vorzubereiten, um sie dann in kürzester Zeit im Studio einzuspielen – so spart man die hohen Kosten für den Studioaufenthalt. Wir hatten das Glück uns durch eine Förderung einen zweiwöchigen Aufenthalt in den Toolhouse Studios finanzieren zu können. Zu einigen Songs brachten wir nur ganz grobe 30-Sekunden-Ideen mit ins Studio und haben sie dort in aller Ruhe zu Ende schreiben können. Die Atmosphäre im Studio macht was mit einem: man ist wirklich nur auf diese eine Sache fokussiert und die Gedanken drehen sich den ganzen Tag (und Nacht) nur um die Musik. Ein absoluter Luxus und damit haben wir uns definitiv einen Lebenstraum erfüllt.

Mit Into the fray seid ihr schon bei den jazzopen in Stuttgart oder Musik & Frieden in Berlin aufgetreten. Wie haben diese Erfahrungen euch als Band geprägt – insbesondere in Hinblick darauf, solche Meilensteine gemeinsam erleben zu dürfen?

Basti: Wir durften schon so viele tolle Dinge zusammen erleben und haben wirklich alle Gefühlslagen und Lebensphasen gemeinsam durchgestanden. Klingt kitschig, aber das schweißt einen wirklich zusammen, wir verstehen uns blind und alle ziehen am gleichen Strang.

Euer Debütalbum heißt Sometimes it hurts but that’s okay – welche Bedeutung steckt hinter diesem Titel?

Lukas: Der Albumtitel stammt tatsächlich von einem der gleichnamigen Songs auf dem Album. In dem Song geht es um meine Kindheit, Jugend und Beziehung zu meinem Bruder. Zwei Vorstadt-Teenager mit großen Träumen und mittlerweile mit dem Coming-of-Age-Versuch, mit der Realität des Erwachsen-Werdens, dem Verlust geliebter Personen, der Tatsache geschiedener Eltern und geplatzten Träumen fertigzuwerden. Und trotzdem weckt der Song in mir so unfassbar schöne Kindheitserinnerungen und vor allem Dankbarkeit, auch wenn es manchmal weh tut, dass diese Zeit vorbei ist. Deswegen auch der Titel, eigentlich wirkt er vielleicht zu simpel, aber ich verbinde damit einfach sehr viel und der Satz ist auch ein bisschen eine Art Mantra für mich geworden, um mit dem zu schnellen Erwachsen-Werden und alles, was damit einhergeht, klarzukommen.

ANOTHER DIRTBAG wurde als Fokussingle ausgewählt. Was macht diesen Song besonders?

Lukas: Der Song hat tatsächlich eine besondere Bedeutung für uns. Zum einen ist das der erste Song, der nach zwei Jahren Pandemie zusammen im Proberaum durch einen Jam entstanden ist und uns motiviert hat, überhaupt ein Album anzugehen. Zum anderen ist mir der Text persönlich einfach eine Herzensangelegenheit. Der Song ist mehr oder weniger ein lethargischer Mittelfinger an unsere Leistungsgesellschaft, in der das Thema Mental Health leider immer noch zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Ich selber struggle mit psychischen Problemen und habe leider sehr viele gute Freund*innen in meiner Bubble, die wirklich krass mit Depressionen zu kämpfen haben. Es ist okay, sich manchmal scheiße zu fühlen und sich einzugestehen, dass man Fehler macht. Dafür sollte sich niemand schlecht fühlen oder verstecken müssen. Es ist 2023 und auch wenn in unserer Generation deutlich mehr und offener darüber gesprochen wird, gilt das leider nicht für unsere gesamte Gesellschaft. 

Könnt ihr uns mehr über die Entscheidung erzählen, sechs Singles zu veröffentlichen? Wie repräsentieren die Singles das Gesamtkonzept eures kommenden Albums?

Basti: Die Entscheidung, so viele Singles vorab zu veröffentlichen ist unser Weg mit den Trends in der Musikbranche umzugehen. Das „Album“ verliert immer mehr an Bedeutung und einzelne Songs werden immer wichtiger. Deshalb veröffentlichen viele Artists fast nur noch Singles oder kurze EPs, um möglichst regelmäßig Output und Content zu liefern. Vielleicht sind wir altmodisch, aber wir finden es nach wie vor reizvoll unsere Songs, die alle zur gleichen Zeit und mit dem gleichen Mindset entstanden sind, in einem Album zu bündeln. Gleichzeitig haben wir natürlich darauf geachtet, dass die Singles die Bandbreite des Albums möglichst gut repräsentieren.

Was sind eure Ziele und Hoffnungen für die Zeit nach der Veröffentlichung eures Debütalbums im Jahr 2024? Gibt es bestimmte Festivals, Orte oder Kollaborationen, die ihr in Zukunft anstrebt?

Basti: Wir werden auf jeden Fall auf Tour gehen, die Planung dazu laufen gerade. Da haben wir wirklich krass Bock drauf. Den neuen Sound live umzusetzen, mit den Menschen im Real Life in Kontakt kommen und unterwegs zu sein: mal wieder morgens verklatscht aufwachen, im Tourbus fünf Stunden in die nächste Stadt fahren und die gesammelten Sanifair-Bons für einen schlechten Tankstellen-Kaffee zusammenlegen.

Habt ihr zurzeit ein Lieblingslied oder gibt es generell Künstler*innen, die euch inspirieren?

Lukas: Ich habe die Band Chartreuse aus England in den letzten Wochen entdeckt und hab mich wirklich sehr in deren neue Platte Morning Ritual verliebt. Die läuft bei mir aktuell rauf und runter. Die Platte ist irgendwie eine Mischung aus Radiohead- und Klangstof-Vibes, gepaart mit britischem Indie mit Pop Appeal und leichtem London-Hip Hop-/Jazz-Einflüssen. Die perfekte Herbst- und Winter-Platte.

Was möchtet ihr sonst noch loswerden?

Lukas: Geht wieder mehr auf Konzerte, ob kleine oder große. Entdeckt eure Local Artists, Venues und Nischen, es lohnt sich!

MEHR INFOS:
https://bonheurmusic.com