“Ring frei!”
Die besten Ringer der Welt kämpfen vor einer einmaligen Kulisse. Tausende Menschen, Leuchtreklamen, bunte Fassaden. Das El Dorado der Glücksritter: Las Vegas.
Ein Glücksritter ist auch er: Frank Stäbler. Deutschland hat nach 21 Jahren wieder einen Weltmeister im griechisch-römischen Stil.
Der 7. September diesen Jahres war ein Montag. Montage. Das sind ja bekanntlich nicht immer die besten Tage. Manchmal würde man sie gerne einfach überspringen. Das Gefühl kennen wir. Vielleicht wollten wir auch diesen Montag im September überspringen. Gut möglich. Wer das ganz sicher nicht wollte? Der gebürtige Böblinger Frank Stäbler. Der wurde nämlich bei besagter Ringer-WM in Las Vegas Weltmeister im griechisch-römischen Stil bis 66 Kilogramm – und verbucht den größten Erfolg in seiner Karriere bei der spektakulärsten Weltmeisterschaft der vergangenen Jahrzehnte. Ein doppeltes Highlight für den 26-jährigen und für alle Fans. Und das, obwohl der Kampf für den Sportler auf der Kippe stand. Sechs Tage vor Beginn holt er sich beim Training eine ordentliche Platzwunde und hatte eine schwere Virusinfektion. Die Ärzte raten ihm von der Teilnahme ab – doch er bekommt Antibiotika und sein Wille ist stärker.
Aber warum gerade Las Vegas? In den letzten Jahrzehnten wurde oft nur vor halb leeren Arenen gekämpft. Das bleibt natürlich nicht unbemerkt: Die Streichung des Ringens aus dem olympischen Programm drohte. Und die Vereinigten Staaten leisten so ihren Beitrag; schließlich engagieren sie sich traditionell sehr für diesen Sport. Und so kam es zu der wohl schillerndsten Weltmeisterschaft, die den Sieg des Schwaben noch gigantischer macht.
Frank Stäbler kommt ursprünglich aus Musberg und wohnt auch heute noch im beschaulichen Stadtteil von Leinfelden-Echterdingen. Die BILD reißt sich um den jungen Sportler, nennt ihn die „stärkste Nahkampfmaschine – und auch die TV-Sender können gar nicht genug von ihm bekommen. Ergo: Ungefähr alle reißen sich um den Sportler. Auch wir, versteht sich von selbst. Wie gut, dass er um’s Eck wohnt, wir ihn zum Interview treffen konnten und euch jetzt berichten können, wie es sich eigentlich so anfühlt, Weltmeister zu sein.
„Ich war nach dem Sieg überglücklich – aber ich konnte es gar nicht fassen. Mir fehlen die ersten vier oder fünf Tage nach dem Triumph. Ich kann mich einfach nicht erinnern. So überwältigend muss das Gefühl für mich gewesen sein.“
Für Frank Stäbler ist auch die Kulisse ein Traum. Er sei erst mal völlig überfordert gewesen, sagt er. Aber als er dann realisiert hat, dass er Weltmeister im Ringen ist, hat er die Korken buchstäblich knallen lassen. Und welche Stadt eignet sich dafür besser als die Partymetropole? Drei Tage habe er durchgemacht: seinen Sieg, seinen Traum und sich selbst gefeiert. Das Feiern geht weiter, aber auf andere Art und Weise. Kurz nachdem er den Titel gewinnt, macht er mit seiner ganzen Familie eine Rundreise an der Westküste und genießt diese Auszeit.
Erst, als er wieder in Deutschland ankommt, wird ihm das Ausmaß seines Triumphs wirklich bewusst: „Die Presse hat sich auf mich gestürzt. Es war unglaublich! Ich hatte über 2000 Nachrichten auf meinem Telefon, das müsst ihr euch mal vorstellen!“ Wir stellen uns das vor. Und wären wahrscheinlich mindestens genauso überwältigt, wie er.
Schließlich überrascht ihn der Sieg auch selbst, denn beim Ringen kann man nicht mit einem Sieg oder mit einer Niederlage rechnen. Alle seien so nah beieinander, dass sieben oder acht Ringer Weltmeister werden könnten. „Zu guter Letzt zählt die Tagesform“, erzählt er uns. „Der Schiedsrichter spielt auch eine große Rolle, denn beim Ringen zählt auch oft ein Ermessensspielraum.“
In Deutschland ist das Ringen ja eher eine Randsportart. Da fragt man sich, wie man dazu kommt, mit dem Ringen anzufangen. Frank Stäbler kam gar nicht selbst drauf, das regelte der Zufall. Seine Mutter wollte ihn mit seinem Bruder zum Mutter-Kind-Turnen anmelden; war aber etwas zu spät dran: alles ausgebucht. Neben der Sporthalle befindet sich ein Ringer-Kindergarten. Die Alternative bot sich an. Stäbler war damals vier Jahre alt. Im Training wurde dort mit viel Spaß und Spiel das Körpergefühl und die Geschicklichkeit geschult. Außerdem konnte der heutige Weltmeister dort schon einfache Grifftechniken und turnerische Elemente lernen. „Mir gefiel das Kräftemessen mit Regeln. Deshalb hab’ ich nie damit aufgehört.“ Und das ist auch gut so. Mit 15 Jahren ist der Ringer schon Deutscher Meister.
Der Erfolgt hat seinen Preis: Frank Stäbler trainiert 10x die Woche. Am Mittwoch Abend und am Sonntag nimmt er sich frei. Das braucht er auch, denn neben seiner Karriere als Ringer arbeitet er zu 50% in seinem anderen Beruf, wie er ihn nennt. Seine Ausbildung zum Fachinformatiker hat er 2013 abgeschlossen und arbeitet seither bei der IT-Firma NovaTec im Marketing. Dort hält er auch Motivationsvorträge für Führungskräfte. Denn in Sachen Motivation ist er Profi:
„Wenn man ein guter Ringer sein will, dann braucht man neben der Technik vor allem Durchhaltevermögen und Disziplin.“
Es kann gut sein, dass man innerhalb von acht Tagen acht Kilogramm Körpergewicht verlieren muss, erzählt er uns – das heißt: Ein paar Tage vor dem Wettkampf darf man nichts essen, nichts trinken und muss viel schwitzen. Es ist wie ein Gang durch die Hölle. Das sagt er selbst. Wenn er nicht in der Wettkampfphase ist, dann isst und trinkt er aber schon, versteht sich. Und das am liebsten im H’ugo’s und im Enchilada, wo er sich auch gerne mit Freunden mal einen Cocktail genehmigt. Wo ihr ihn beim Feiern treffen könnt? Im Perkins Park oder auf der Theodor-Heuß-Straße.
Damit solltet ihr euch aber beeilen, denn die Vorbereitungen für Olympia in Rio de Janeiro 2016 stehen vor der Tür – und das Weggehen reduziert. Wir drücken für die Spiele die Daumen!