LA CAGE AUX FOLLES

Zum 65. Geburtstag des Theaters der Altstadt hat Intendantin Susanne Heydenreich sich und dem Theater ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Das Ensemble vor und hinter der Bühne hat alles gegeben und was bleibt ist mehr als ein Kessel Buntes, der meinen All-Time-Favoriten „Linie1“ galant vom Thron stößt. 

Zum besonderen Geburtstag und als Abschied ihrer Intendanz – die 1995 interimsweise und 1996 gewählt gegen 48 Bewerber*innen begann – verabschiedet sich die großartige Susanne Heydenreich mit ihrem letzten großen Stück La Cage aux Folles nach 28 Jahren(!) von ihrer Intendanz. Mit viel Herz, Charme und Witz hat sie das Theater geprägt – nicht selten stand sie zu all ihrem anderen Engagement als zentrale Figur auf der Bühne. Im aktuellen Stück überlässt sie Sascha Diener die Hauptfigur und damit die Rolle seines Lebens. Er brilliert in jeglichem Moment und allen Szenen als ZaZa – dem wahren Ich von Albin. Nicht weniger präsent ist Uwe-Peter Spinner als ZaZas Partner George zu sehen. Als dessen Sohn Jean-Michel – verkörpert von Ruben Dietze– die Schwiegertochter zu Hause vorstellen will, wird es noch bunter und turbulenter. Es gilt, den rechtskonservativen Brautvater zu überzeugen, respektive in Schach zu halten.

Die Inszenierung geht auf das 1973 uraufgeführte Stück von Jean Poirets zurück und wurde fünf Jahre später unter dem Namen „Ein Käfig voller Narren“ unter der Regie von Edouard Molinaros verfilmt. Seit 1983 ist es als Musical auf den Bühnen dieser Welt zu Hause.  

50 Jahre(!) nach der Uraufführung hat das Stück an gesellschaftlicher Bedeutung an nichts verloren. Ganz im Gegenteil: Rechtspopulistische Strömungen und Homophobie scheinen wieder gesellschaftsfähiger zu werden. Um so wichtiger ist es, diesen wann immer möglich entgegenzutreten. Gerade Kunst ist eine wunderbare Möglichkeit, dies zu tun.

Stuttgart hat seit dem 14. November 2023 für weitere 33 Vorstellungen einen ganz besonderen Geheimtipp in Sachen Theaterstücke: „La Cage aux Folles“ im Theater der Altstadt. Wenn man mich fragt, ist dieses Theater schon immer ein ganz besonderer Ort und DER Geheimtipp unter den Stuttgarter Theatern. Dieses Haus, dessen Eingang man seit 1999 unter dem riesigen Kopf Arthur Schoppenhauers betritt, lädt zu ganz besonderen Stücken ein.

Ob nun der legendäre Hildegard Knef-Abend „Eins& Eins das macht zwei“ mit Susanne Heydenreich in einer ihrer besten Rollen oder das Berlin Musical „Linie1, das Hamburg Musical Heiße Ecke, das geschichtsrelevante Stück „Er ist wieder da“ oder auch das gesellschaftskritische Kammerspiel „Der Vorname“ und so vieles mehr. Immer, aber auch wirklich immer begeistert das familiäre Theater mit seinen 187 Plätzen und schafft es, 27.000 Zuschauer*innen im Jahr Momente der Lebensfreude zu bescheren. Insgesamt wurden 460 Stücke gespielt –

Chapeau! 

Das Theater der Altstadt am Feuersee

Was bleibt ist meine tiefe Verbeugung für das Lebenswerk von Susanne Heydenreich. Mein persönlicher Dank gilt diesem einen Abend, an dem ich selbst die Hauptfigur auf der Bühne dieses Hauses mit meinem Buch „einfach !ch” sein durfte.  Als besonderes Highlight dieser besten aller Premieren, die ich dort je erleben durfte, schwebt plötzlich und unerwartet Stuttgarts First Fräulein der Travestie Frl. Wommy Wonder zum Plausch mit Susanne Heydenreich auf die Bühne – herrlich oder besser gesagt: Wonderbar! 

Das Zwiegespräch transportiert das Stück noch mehr in den aktuellen Kontext und in unsere Landeshauptstadt. Welch großartiger Schachzug – der in Folge immer wieder sonntags bewundert werden kann. So ist es auch unser Vorzeige-Fräulein, welches hinter den Kulissen mit Rat und Tat zu Seite stand, denn in Stuttgart kennt man Teamplay. Ob Kostümverleih oder Schminktipps – unsere Wommy half, wo sie konnte.

Dieses Stück sei ein Geschenk an die queere Community dieser Stadt, die wie Susanne Heydenreich in ihrer Rede am Premierenabend betont, das Theater schon immer in ganz besonderer Weise geschätzt, gefördert und unterstützt hat. So ist es wohl auch kein Zufall, dass Schoppenhauer auffällig regenbogenbunt seit dem CSD 2023 über dem Eingang erstrahlt. Ach mein geliebtes Theater der Herzen. Ich wünsche Dir auch weiterhin alles Gute. 

Torsten Poggenpohl mit Intendantin Susanne Heydenreich

Mein Fazit: STUTTGART, SCHAUT EUCH DIESES STÜCK AN –  es ist ein wahrer Grund, 65 Jahre Theater der Altstadt – 65 Jahre Kultur zu feiern und mein absoluter GEHEIMTIPP!

P.S.SSSST! Das Theater der Altstadt mit seiner bewegten Geschichte von 1958 bis heute ist das älteste Privattheater in Baden-Württemberg. Nach der Brennerstraße und dem Charlottenplatz liegt die Spielstätte seit 1993 am Feuersee.
MEHR INFOS:
https://theater-der-altstadt.de