KARRIERE IN DER STADT, EIGENHEIM IM VORORT – IMMER WENIGER DEUTSCHE WAGEN DEN SCHRITT

Lange Zeit war es der ganz natürliche Migrationstrend für junge Erwachsene: von der Uni oder der Berufsschule ging es in die Karriere, von der Wohnung in der Stadt zum Eigenheim am Stadtrand oder im Vorort. Aktuell zeichnet sich eine ganz andere Entwicklung ab: der Traum vom Eigenheim hat sich ausgeträumt und Mieten auf Lebenszeit sind eine attraktive Alternative.

Die Zahl der Immobilienbesitzer hat in den vergangenen Jahren drastisch abgenommen, und gerade im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern sind die Deutschen wahre Mietkönige. 70 Prozent der Europäer wohnen in den eigenen vier Wänden, in Deutschland sind es lediglich 45 Prozent, in den Großstädten ist die Quote mit 27 Prozent sogar weitaus niedriger. Während der Kauf eines Hauses lange Zeit als sichere Altersvorsorge galt, scheuen immer mehr junge Menschen vor der finanziellen Investition und Verantwortung zurück. Sind die gestiegenen Immobilienpreise schuld?

Nur teilweise, denn gleichzeitig stiegen auch die Löhne, zwischen 2000 und 2017 nahm das durchschnittliche Bruttojahresentgelt sogar um ganze 34 Prozent zu und erlebte damit einen weitaus drastischeren Anstieg als beispielsweise die Verbraucherpreise. Dass sich heute einfach niemand mehr ein Eigenheim leisten kann, ist also kein nachweisliches Argument. Umfragen ergaben verschiedenste Gründe für den Entschluss beim Mieten zu bleiben: fehlendes Eigenkapital, nach eigener Ansicht zu geringes Einkommen, befristete Arbeitsverträge, aber auch die Liebe zur Innenstadt, wo der Kauf eines Hauses in der Tat meist unerschwinglich ist. Oftmals ist auch einfach Unsicherheit bezüglich des Immobilienkaufs der abschreckende Faktor – wie findet man die richtige Hypothek, wie lange dauert eine Abzahlung und welche Kosten mögen in der Zukunft auf einen zukommen? Kein Wunder, dass viele bei verwirrenden Finanzierungsoptionen den Schritt der Eigenheimfinanzierung scheuen.

Gerade bei der jüngeren Generation der 18- bis 25-Jährigen spielt jedoch auch ökologisches Bewusstsein eine Rolle: viele wollen sich nicht nur aus Kosten-, sondern auch aus Umweltgründen kein Auto mehr anschaffen und bleiben deshalb lieber nahe am Arbeitsort. Auch größeres Platzangebot im Eigenheim im Vergleich zu einer Mietwohnung ist immer weniger reizvoll: Eine Umfrage des Wall Street Journal unter Amerikanern, die historisch den meisten Wert auf großen Wohnraum legten, ergab, dass moderne Lebensgewohnheiten immer weniger Raum beanspruchen: Die große Küche wird angesichts endloser Restaurant- und Lieferservices immer weniger genutzt, persönliche Unterlagen lassen sich komplett digital speichern, Bücher wurden von E-Books ersetzt, ein Badezimmer pro Person braucht niemand mehr und große Gärten werden eher als Belastung statt als Statussymbol betrachtet. Wer mehr Raum besitzt, muss mehr Möbel anschaffen und mehr Zeit oder Geld in den Hausputz investieren – Investitionen, die gerade in Single-Haushalten für unnötig gehalten werden.

Zudem kommt, dass sich der Zeitpunkt der Familiengründung immer weiter nach hinten verlegt – lange Studiengänge, Unsicherheit beim Berufseinstieg und niedrige Startgehälter spielen dabei eine Rolle.  2017 lebten 72,4 Prozent der Ein-Personen-Haushalte zur Miete, die Mietbelastungsquote allein lag hier bei über 30 Prozent des Monatseinkommens. Die Vorstellung auf ein Haus zu sparen, in eine Immobilie zu investieren und zum Job zu pendeln mag unter diesen Umständen besonders beängstigend wirken.