OBJEKTIFIZIERUNG VS. REAL DOLLS

Wer anfängt sich mit Sexismus zu beschäftigen, stößt früher oder später auf den Begriff “Objektifizierung”. Hierbei handelt es sich um die Reduzierung von Personen (vor allem Frauen) zu Sexobjekten, ohne freien Willen oder die Fähigkeit, selbstständig zu handeln. Vielmehr steht die sexuelle Begehrlichkeit und Verfügbarkeit des (weiblichen) Körpers für andere handelnde Entitäten (vor allem heterosexuelle Männer/Protagonisten) im Vordergrund.

Feministische Bewegungen warnen in diesem Zusammenhang vor lebensechten Sexpuppen, die immer stärker auf den Markt für Erotikprodukte drängen. Es gibt jedoch auch Befürworter. Eine Sondierungsumfrage unter Sexualtherapeuten, die von der Sigmund Freud Universität in Wien durchgeführt wurde, ergab, dass die meisten der Befragten den Sexpuppen einen therapeutischen Nutzen zutrauen (US National Library of Medicine ). Andere Experten sehen in den Attrappen eine Chance für Menschen mit sexuellen Störungen, ihre Neigungen auszuleben, ohne jemanden zu verletzen (The Atlantic ).

2018 sorgte ein Sexpuppen-Bordell in Freiberg am Neckar für Aufsehen. Die Behörden wollten das Etablissement so schnell wie möglich loswerden, scheiterten aber, da es sich bei Sex mit Puppen ja nicht um Prostitution handelt. Das Thema „Sexpuppen“ ist ein kontroverses Thema, bei dem vor allem Stimmen von feministischen Bewegungen laut werden. Sie warnen vor einer Objektifizierung von Frauen. Doch bei so viel Antipathie überrascht eine neue Studie. Laut der Zukunftsstudie “Homo Digitalis” von BR, Arte, ORF und dem Fraunhofer-Institut hat etwa jeder dritte Deutsche Interesse daran, mit einem Sexroboter zu schlafen. Die Studie wurde von Herbst 2017 bis Februar 2018 durchgeführt, insgesamt 22.000 Personen wurden dabei befragt. 

Doch wie gefährlich sind diese Real Dolls tatsächlich für unser Verständnis von Intimität?

Zuerst einmal: Was genau sind Sexpuppen eigentlich? Auch bekannt als Real Dolls, sind die lebensechten Puppen über die Jahre immer populärer geworden. Jeder kennt die aufblasbaren Gummipuppen, die von einigen für beispielsweise den Junggesellenabschied gekauft werden. Eine Sexpuppe ist die luxuriöse, detailgetreue Version des Spaßartikels. Über die Jahre wurde dann vermehrt versucht, Robotik zu integrieren. Sexroboter sind ein heiß diskutiertes Thema geworden, was die Gemüter spaltet.

In Zeiten von sexueller Liberalität werden solche Themen immer relevanter. Viele Menschen sind einsam, auf der Suche nach Nähe und sexueller Erfüllung. Hierbei sind für einige Puppen wie die Real Dolls von marielove-dolls.com, eine schnelle anonyme Möglichkeit seine Probleme zu vergessen. Mit dem Boom, der aus Japan und den USA zu uns geschwappt ist, werden aber auch Kritiker Stimmen laut. Frauen werden zu Objekten degradiert und Männer nutzen leblose Puppen zur sexuellen Befriedigung. Doch so einfach ist das mit den Sexpuppen nicht.

Selbstverständlich ist die Angst vor Verstärkung antisozialer Tendenzen und dem Verlust sozialen Fähigkeiten berechtigt. Doch wenn man die tatsächlichen Käufer der Sexpuppen betrachtet, wird schnell klar, dass die Probleme nicht plötzlich durch Sexpuppen entstanden sind, sondern dass sie schon lange existieren. Einsame auf der Suche nach Nähe, Menschen der LGBTQ-Szene, die sich für ihre Sexualität schämen oder Hemmungen haben, sie auszuleben, Menschen mit Behinderung und generell solche für die soziale Kontakte sehr schwierig sind. Dies sind unter anderem Käufer von Sexpuppen. Doch auch diejenigen, die einfach nur neugierig auf das Erlebnis sind, sollten nicht das Gefühl bekommen, ihr Interesse sei etwas Anrüchiges. Denn ein Bordell mit Puppen sollte weniger Bedenken hervorrufen, wie eines mit realen Frauen, die Tag täglich dem ältesten Gewerbe nachgehen. 

Auch die britische Dozentin und KI-Forscherin Kate Devlin vom King’s College London steht Sexpuppen und vor allem der modernsten Art der Sexpuppe; dem Sexroboter, positiv gegenüber. Sie ist der Meinung, dass sie vor allem Menschen helfen, die aus diversen Gründen kein Sexualleben haben (können).

Eine wechselseitige Interaktion bietet eine Sexpuppe nicht, was immer im Hinterkopf behalten werden sollte. Doch das Problem sind nicht unbedingt die Puppen an sich, sondern fehlende Grenzen und Orientierungspunkte. Interessierten sollte bewusst sein, dass der Umgang, eben wegen dem starken realistischen Erscheinungsbild, genauso respektvoll sein sollte, wie mit einem Menschen. Es genießt jedenfalls keinen guten Ruf, Sex mit Puppen zu haben. Es gilt allerdings für mich die Faustregel: Wenn kein selbst- oder fremdschädigendes Verhalten vorliegt, ist alles im grünen Bereich und erlaubt.

Das Thema ist neu und noch nicht in der Gesellschaft angekommen, sodass weiterführende Diskussionen noch gar nicht stattgefunden haben. Real Dolls sollten, unter Berücksichtigung von gewissen Grenzen und moralischen Grundlagen, als das angesehen werden, was sie sind: luxuriöse Sextoys. Sie können helfen, sexuelle Erfüllung zu finden, aber eben keine echten menschlichen Interaktionen ersetzen. In einer Zeit, in der die Trennlinien zwischen der wirklichen Welt und künstlichen Erlebnissen immer verschwommener werden, ist die Debatte über Sexpuppen nach wie vor wichtiger Bestandteil des Dialogs über Liebe, Partnerschaft und Intimität.