SARA DAHME

Schon während ihrer Studienzeit hat Sara in Museen gejobbt, Führungen im Württembergischen Kunstverein gemacht und Workshops gegeben. Kein Wunder, dass sie bei der Kunst geblieben ist und vor mittlerweile mehr als einem Jahr den Kultur Kiosk eröffnet hat. 

Geboren wurde Sara in Ravensburg, für ihr Studium zog es sie dann in den Kessel. An der ABK und der Universität Stuttgart studierte sie Kunsterziehung, Philosophie und Germanistik.  

Seit 2006 ist sie im Kunstvermittlungsbereich tätig, mit eigenen Formaten wie „Sara Dahme trifft“, „Kunstbanausen“, „Super Sound Sculpture“, „Komm näher!“ oder „Warm up“. Aber auch am Theater fühlt sie sich zu Hause. Im Theater Rampe ist sie seit 2006 für die Reihe KEINE EINFÜHRUNG verantwortlich. Aufgrund der Corona-Pandemie und des dadurch eingestellten Theaterbetriebs wurde das Format in den digitalen Raum verlagert und findet nun als Podcast statt. Im Theater Rampe, das vor allem zeitgenössische Produktionen zeigt, absolvierte sie im Jahr 2015 auch eine Dramaturgiehospitanz bei Nina Gühlstorff für das Stück SÜNDENBOCK.

Zu ihrer täglichen Arbeit gehört es, neue Konzepte für Kulturinstitutionen und Museen zu entwickeln. Sie konzipiert Veranstaltungen, lädt zu Salons ein, berät und coacht im Kunstbereich, ist Speakerin für Ausstellung und als DJane organisiert sie verschiedene Partyreihen. Hauptberuflich unterrichtet Sara Kunst und Literatur & Darstellendes Spiel am Gymnasium.

Zudem ist sie Dozentin an der ABK Stuttgart und der PH Ludwigsburg, betreut regelmäßig Kreativworkshops, hält Eröffnungsreden und hat es sich insgesamt zur Aufgabe gemacht, Menschen für Kunst und Kultur zu begeistern. Denn nichts macht ihr mehr Freude, als die Hemmschwellen abzubauen und Lust auf mehr zu machen. Sie arbeitet dabei anspruchsvoll, aber auch auf Augenhöhe und mit viel Humor. Auf diese Weise hilft sie, Zugänge zu finden, Vorurteile über Bord zu werfen und Spaß bei der Auseinandersetzung zu haben. Denn Beuys sagte einst ganz richtig: „Kunst = Kapital“ … und Kapital muss nicht immer monetär sein!

Um ihrer Vision näher zu kommen, sucht sie neue Spielräume, um die Menschen zu motivieren, sich mal auf etwas anderes einzulassen. Mitten in der Pandemie hat sie in einem Parkhaus den Kultur Kiosk eröffnet. Denn Kultur funktioniert für sie nur in der Begegnung und im Miteinander. Hier, ganz zentral in der Stuttgarter City und in nächster Nachbarschaft zum Rotlichtviertel gelegen, hat Sara einen Verknüpfungspunkt zwischen Stadt und Kultur geschaffen, einen Begegnungsort, der den öffentlichen Bereich belebt und zum Austausch einlädt.

Kultur Kiosk: Lazarettstrasse 5, 70182 Stuttgart

Alle zwei Monate findet eine neue Ausstellung statt. Dabei ist es ihr besonders wichtig, dass es nicht nur “klassische” Flachware zu sehen gibt, sondern auch Design und Angewandtes. Das sehr diverse kulturelle Rahmenprogramm gibt regelmäßig Akteur*innen Raum, dort Veranstaltungen aller Art stattfinden zu lassen. Bei den Tiny Window Konzerten im Kultur Kiosk wird es gerne auch  mal extravagant, mit queeren Performances und schriller House-Musik vom Duo „Bang & Cherry“. Wir haben uns mit der sympathischen Kunstvermittlerin auf ein Radler in der Sonne vor dem Kultur Kiosk getroffen. 

Was kann man sich unter Kunstvermittlung genau vorstellen?

Kunstvermittlung ist kein fester Begriff. Vielmehr geht es darum, Menschen mit Kunst und Kultur in Kontakt zu bringen. Unsere Mission ist es, euch die Kunst in Stuttgart, die von Stuttgarter Künstler*innen stammt, näher zu bringen. Es geht darum, einen Einblick in den Kunstalltag unserer Stadt möglich zu machen und auf Entdeckungstouren die Chance zu bekommen, selbst einzutauchen. Kunst ist erlebbar und genau das wollen wir zeigen und so Lust auf mehr machen. Mittlerweile entwickle ich in diesem Rahmen verschiedene Konzepte und Formate. Man findet mich aber auch auf Kunstkongressen, wo ich Vorträge halte oder Impulse gebe.

Gibt es sowas wie einen guten oder einen schlechten Kunstgeschmack?

Es gibt einen etablierten Geschmack, den tradierten Kunstkanon und das, was der Kunstmarkt diktiert. Allerdings ist das ein fluides Feld, das sich permanent verändert. Immer mehr Hemmschwellen werden abgebaut, sodass sich Kunstgeschmäcker und Kunstformen stärker vermischen. Versöhnend würde ich sagen, über Geschmack lässt sich durchaus streiten, darin üben kann man sich aber auch.

Wie kann man Kunstbanausen Kunst näherbringen?

Was es auf jeden Fall braucht, ist minimale Eigeninitiative. Oft heißt es ja schon im Voraus: „Ich hab ja eh keine Ahnung von Kunst”. Leider ist es so, dass man keinen Zugang erhält, wenn man sich schon von Anfang an querstellt. Lieber öfter mal Neues wagen! Um diese Hürden abzubauen, habe ich den Kultur Kiosk ins Leben gerufen.

Was bedeutet dir der Kultur Kiosk und wie hast du die Location gefunden?

Der Kultur Kiosk ist für mich das Werkzeug, um den Menschen Kunst näherzubringen! Es geht dabei um die Auseinandersetzung mit der Kunst. Es ist ein Ort, der Empfindungen auslösen soll und gleichzeitig Vorbehalte und Vorurteile abbaut. Für mich ist dieses Projekt eine wahre Passion! Kommt einfach vorbei, hier finden regelmäßig interessante Events, Filmabende, Diskurse, Vorträge, Workshops und noch ganz viel mehr statt. Hier wird Kultur gelebt, gezeigt und auch diskutiert. Hier gibt es Livemusik, Talks, Lesungen, Pizza, Wein und Bier, Blumen und regelmäßig neue Ausstellungen.

Die Hauptsache ist, dass es hier unkompliziert und locker zugeht. Für mich ist es wichtig, dass Dinge auch einfach geschehen können und nicht durchgeplant werden.

“Wenn man dem Zufall eine Chance lässt, passieren großartige Dinge.”

So wie diese Location, zu der ich zufällig kam. Im März 2020 wurde der Vertrag unterschrieben und alles in Eigenarbeit renoviert, um einen Ort zu schaffen, an dem Kunst auch wirklich stattfinden kann. 

Hast du Lieblingskünstler*innen?

Klar, ich bin leidenschaftlich gerne Fan. Dazu zählt für mich Martin Kippenberger. Ich mag besonders den klugen Humor, der in seinen Arbeiten steckt und diese wahnsinnig gute Malerei. Aber auch weitere Vertreter*innen zeitgenössischer Kunst gehören dazu, so wie der Künstler Marco Stanke, der bis Ende Oktober bei mir zu sehen ist oder Lisa Mühleisen aus Stuttgart. Es ist einfach faszinierend, denn Kunst kann Dinge formulieren, die wir noch nicht so greifen können!

Was magst du besonders am Kessel?

Zum einen ist für mich Stuttgart die Kulturhauptstadt. Von kleinen Nischentheatern wie dem FITZ! bis zum renommierten Opernhaus ist alles dabei. Die Kunst- und Kulturszene in Stuttgart ist beeindruckend und die Kulturarbeit auf sehr professionellem Niveau!  Tanz, Performance, Sub- und Hochkultur, Literatur, bildende Kunst – es gibt so viel, dass man sich kaum entscheiden kann. Zum anderen schätze ich die Menschen hier sehr.

Deine Lieblingshood in Stuttgart? Gibt es für dich ein Lieblingscafé, ein Restaurant, eine Bar etc.?

Meine Lieblingshood ist natürlich die rund um den Kultur Kiosk. Aber grundsätzlich machen für mich die Menschen die Orte aus. Es gibt einige Locations, an denen man mich öfter findet. Ein frischer Saft im Kantinchen oder die leckeren Waffeln in der Galerie Kernweine genießen, ich mag die Schnitzel in der Weinstube Fröhlich, bin im Mókuska auf einen Kaffee, gönne mir ein Bierchen im Immer Beer Herzen oder den einzig trinkbaren Daiquiri in der „Bar“ im Westen und hoffentlich bald mal wieder zum Dinner in der Boteca de Vino.

Eine Person ist das erste Mal in Stuttgart ist – wo würdest du mit ihr hingehen?

Ganz klar in die Weißenhofsiedlung, die vom Deutschen Werkbund unter der Leitung von Mies van der Rohe errichtet wurde und ein Symbol für das Neue Bauen ist. Die verwendeten Materialien, die Architektur und die Geschichte, die darin stecken, sind einfach beeindruckend. Dazu ist die Busfahrt dorthin eine der schönsten!

Was ist in der näheren und weiteren Zukunft im Kultur Kiosk so geplant?

Im November wird es Kunst für alle geben, ein Poster Projekt mit tollen Künstler*innen aus Stuttgart. Im Dezember und Januar ist der Stuttgarter Filmwinter zu Gast im Kiosk und im Frühjahr warten Lichtkunst, ein Kollektiv und eine weitere spannende Kooperation auf die Besucher*innen.

Regelmäßig finden hier auch spannende Filmabende und Diskussionsrunden statt wie zum Beispiel vom FFGZ (Feministisches Frauen*gesundheitszentrum). Aber auch Buchvorstellungen, Talks und ein Mini Ambient Music Festival sind Teil des Programms. Ihr dürft gespannt sein und euch auf ganz viele neue Impulse, Austausch und guten Kaffee freuen. Auf der Facebook-Seite des Kultur Kiosk könnt ihr euch über aktuelle Veranstaltungen informieren und bleibt immer auf dem Laufenden. Allerdings ist die Frage, wie lange wir die Räumlichkeiten hier im Züblin-Areal noch nutzen können.

Da sind wir schon beim Thema: Die IBA’27 (Internationale Bauausstellung) bringt einige städtebaulichen Umstrukturierungen mit sich…

Ja genau, die Location war von Anfang an als Zwischennutzung geplant. Aber bis 2023 sind wir auf jeden Fall noch hier.

Zum Hintergrund: Gemeinsam mit den Projektträgern will die IBA’27 im Leonhardsviertel resiliente Gebäude, Strukturen, Prozesse und Formate entwickeln, die in verschiedenen möglichen zukünftigen Welten und in verschiedenen Szenarien funktionieren. Eine Kernfrage der derzeitigen Diskussion zur neuen Mitte des Quartiers ist: Soll das Parkhaus als städtebauliche Wunde abgerissen werden, um Platz für eine grundlegende Neubebauung der Quartiersmitte zu schaffen? Oder könnte nicht auch die Grundstruktur des Parkhauses erhalten bleiben als Basis für einen Umbau und eine neue Nutzung…

Meine Idee dazu ist, die Bausubstanz des Züblin-Parkhauses zu erhalten und das ganze Areal als kollektives Projekt mit möglichst viel Bürgerbeteiligung zu verwirklichen. Auf diese Art könnte eine Art Reallabor etabliert werden mit einigen baulichen Änderungen im Sinne der Nachhaltigkeit. Das wäre wegweisend und mutig, so könnte man ganz neue Impulse setzen.

Hast du ein Lebensmotto?

πάντα ῥεῖ (Panta rhei). Das ist altgriechisch und bedeutet: Alles fließt. Aber wenn es ein Schwäbisches sein soll, wie sagt mein Freund Murat immer so schön: Ebbes mache musch…

Und davon macht Sara eine ganze Menge!

“Chapeau!”

MEHR INFOS:
https://saradahme.com