„Träume haben eine Menge Schlaglöcher.“
Theo Preiswerk
Theo Preiswerk ist ein junger Kreativkopf aus Stuttgart. Kennengelernt haben wir den 25-jährigen Content Creator vor drei Jahren, als er im Zuge der Black-Life-Matters-Bewegung im Sommer 2020 gemeinsam mit befreundeten Kolleg*innen das Projekt X gestartet hat.
Seit 2016 lebt der in Stuttgart geborene Fotograf in den USA. Er hat einen Bachelor in BWL und einen Master in “Art & Design Management“ absolviert und ein Tennis Sport Scholarship ergattert. Wie das funktioniert? Theo spielt als College Athlete für die Uni Tennis gegen andere Teams und bekommt im Gegenzug seine Studiengebühren und Ausbildung bezahlt. Seit mittlerweile drei Jahren ist der zudem als Visual Artist tätig und hat schon einige Celebrities aus den Bereichen Musik, Fashion und Kunst fotografiert. Im folgenden Beitrag hat uns der sympathische Stuttgarter ein bisschen was aus seinem Alltagsleben, von Hürden und Herausforderungen erzählt.
Ich stehe mit einem Koffer und einer Tennistasche vor der ACU-Universität in Phoenix, Arizona. Was ich nicht habe: meinen Pass, mein Visum, meine Immatrikulation und meine Kreditkarte. Das liegt alles in einem Taxi, das mich hier abgesetzt hat. Es ist August 2022, brutal heiß und keiner interessiert sich für mich. Und dann, als ich gerade in meinem Kopf formuliere:
„Hi, mein Name ist Theo Preiswerk. Ich bin der deutsche Vollidiot, der seine ganze Identität in einem Uber gelassen hat “,
steht der Taxifahrer vor mir und reicht mir grinsend meine Existenz.
Mit 15, während einer längeren Reise durch Amerika mit meiner ganzen Family steht es fest – der Plan ohne B heißt: USA. Ein Bachelorstudium kostet hier zwischen 16.000 und 30.000 US-Dollar pro Jahr. Uff. Utopisch, aber ich höre auf dem Tennisplatz Geschichten von Sport-Stipendien. Also spiele ich Turniere, Turniere und nochmals Turniere. Irgendwann werde ich tatsächlich von einer Agentin, die Sportler*innen in die USA vermittelt, angeschrieben. Ich kann mir wohl Hoffnungen machen. Aber: es gibt eine Menge zu tun. Für die erste Kontaktaufnahme muss ich ein Video machen, das Trainer*innen einen Eindruck meiner sportlichen Fähigkeiten zeigen soll. Außerdem sollte man einigermaßen gute Noten haben und einen Abschluss anstreben. Ich bin nicht der neue Roger Federer und so freue ich mich fast tot, als die Coaches sich melden. Der Kontakt geht locker über WhatsApp , mit einigen facetime ich. Am Ende habe ich einen Deal mit Phoenix. Es ist November, jetzt geht der Papierhustle los. Ich muss einen SAT-und einen Toefel-Test machen (Sprach- und Allgemeinbildungstest englisch). Ich brauche ein Go der NAIA, der National Association of Intercollegiate Athletics, das geht dann an die Uni und erst dann bekomme ich einen Vertrag und kann ein F1-Visum für das Studium in den USA beantragen. Und: übersetzte, beglaubigte Zeugnisse und ein Abitur, was ich bis dato noch gar nicht habe. Nebenbei hole ich mir einen Bandscheibenvorfall, büffle fürs Abi und habe Termine bei der U.S.-Botschaft in Frankfurt.
Um es abzukürzen: Ich bekomme mein Visum erst am Tag meines Abflugs im August. Ich studiere irgendwas mit Business. Teilweise sitze ich in den falschen Kursen und trotz guter Englischkenntnisse ist es nicht immer leicht, wirklich alles zu verstehen. Als Freshman – so nennt man die College-Athleten im ersten Jahr – musst du „on campus“ wohnen. Das heißt, ich wohne mit fünf jungen Männern im Uni-Wohnheim. Puerto Ricaner, Brasilianer, Spanier, Franzosen – ich glaube gelüftet wurde nie. Der Alltag: um 6 Uhr aufstehen, ins Gym, zum Training, dann Uni, nochmal Training, dann Hausaufgaben. Deine Noten müssen hier stimmen, sonst darfst du nicht spielen und ich bin keine 21 mehr, ich darf theoretisch gar nichts. Es herrscht gnadenloser Konkurrenzkampf – jeder will einen Platz in der Mannschaft. Meine Eltern werden nie erfahren, wie viel Heimweh ich wirklich hatte.
Ich komme in das feste Lineup, das heißt, ich darf spielen und wir reisen oft an Wochenenden, um gegen andere Unis zu punkten. Es stellt sich so was wie Routine ein. Man kennt sich, ich mag den Teamspirit und das – im Gegensatz zu Deutschland – laute, emotionale Spiel. Endlich kann ich mir eine eigene Bude suchen. Mit einem Basketballer der gleichen Uni. Wir legen unser Geld zusammen und kaufen uns ein 2.000 Dollar-Auto. Einen Bus nach Downtown zu nehmen ist natürlich auch drin, wenn man sehr viel Zeit hat und gerne mit Drogenabhängigen, Obdachlosen und Verrückten abhängt. Das klingt abgehoben, aber hier ist dieses Thema einfach noch dreimal härter als in Deutschland.
Ich beginne mich mit diesem Land zu beschäftigen, will keine Minute mit Netflix, Zocken oder sonst was vergeuden. Ich will mehr sehen, verstehen und ich fange an, mich auch außerhalb der Uni mit Menschen zu connecten.
Wenn man nicht komplett autistisch ist, geht das hier schnell. Die Leute sind offen, neugierig und reden gerne. So entsteht ein Podcast. „Stars, Strips & Stories“ stellt Menschen und ihre Geschichten vor. Ich schreibe und telefoniere mir einen Wolf, um Leute vors Mikro zu holen. So spreche ich mit dem Innocent Project , die unschuldig verurteilte Menschen oft nach Jahren aus den Gefängnissen ausklagen. Ich spreche mit einem 20-Jährigen, der eine Anlaufstelle für Jugendliche in prekären Verhältnissen aufgebaut hat, ich rede mit Ben Burgess, der Amerikaner ist und von Stuttgart aus professionelle Athlet*innen betreut. In Berlin treffe ich Julius Vandelaar, ehemaliger Obama-Wahlkampfhelfer und heute renommierter USA-Experte. Um meinen Insta-Account zu bespielen, fange ich an zu fotografieren und zu gestalten. Und ich fotografiere immer mehr, am Anfang unkontrolliert und alles, was ich interessant finde. Eben noch ein ambitionierter Tourist. Als ich mal wieder in Stuttgart bin, fotografiere ich für das Projekt X, eine Initiative aus jungen Künstler*innen während der Black Live Matter Bewegung, in der Staatsgalerie. Und ich drehe mein erstes Video mit den Jungs von ESY MUSIC…
Auf prwrkvisuals zeige ich meine Fotos. Ich bekomme viele Anfragen von jungen Rappern. In den USA fragt dich keiner, ob du das studiert hast aber was sich erst mal unkompliziert anhört, kann auch mal einfach nettes Blabla sein und du hörst nie wieder was.
Mittlerweile in Florida. Ich wechsele an eine größere Uni. Neue Menschen, neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten. Offiziell darf jede*r Athlet*in fünf Jahre für eine Uni an den Start gehen, meine Zeit ist also limitiert. Ich bekomme aber einen Deal , man bietet mir an, die Kosten für einen Masterabschluss zu übernehmen, wenn ich den Job des Assistant Coach übernehme. Klar übernehme ich. Wir haben ein super Team. Klingt cheesy, aber das ist hier meine Familie.
In Atlanta gibt es eine große Community von jungen Rappern und Musiklabeln. Ich könnte den Sommer über gutes Geld als Tennistrainer verdienen oder ich gehe einfach nach Atlanta und gucke, ob was geht? Risiko. Ich gehe und miete das kleinste Zimmer der Welt – ich schwöre: Tür auf und hallo Bett. Ich streune mit der Kamera durch die sehr nice Stadt. Nach drei Tagen bekomme ich ernsthafte Anfragen über TikTok und Insta. Ich shoote für ein Brillenlabel, ich mache Backstage-Fotos bei einem Playboy-Shooting und drehe ein aufwendigeres Video für Dexchannels. Ich suche Augenblicke, die ungewöhnlich sind und die Menschen berühren. So wie bei mir Bilder eben auch unterschiedlichste Emotionen triggern. Meine Bildsprache soll nicht gestellt wirken, obwohl ich mit kleinen graphischen Details, wie z.B. einer Treppe, einer Stromleitung, Licht und Schatten oder einer Location, die im krassen Gegensatz zu der Person steht, selbstverständlich inszeniere.
Mein jüngstes Projekt: Ich bringe den jungen Musiker aus Florida Lod!d und den talentierten Rapper Fritz aus Stuttgart für einen Song zusammen. Stay tune!!!
Hunderte Fotos und viele Videos später: mein Master of Art in Design Management (wirkt beruhigend auf Eltern) ist eingetütet, ich melde das Medienbusiness „Fahrenheit“ an und bekomme eine Arbeitserlaubnis für ein Jahr. Endlich 100% Zeit für Fotos und Videos. Und die will ich wirklich nutzen. In USA , Europa oder sonst wo.
Let’s go!
Coole Story – mehr davon!